Ein Trödelmarkt – mehr als Spaß und Spannung

Als ich am Sonntag über einen Trödelmarkt bei mir um die Ecke spazierte, habe ich natürlich die Augen, aber auch die Ohren aufgesperrt. So kam ich mit einer Tasche voller Bücher und einem Aha-Erlebnis nach Hause. Ein Trödelmarkt, habe ich festgestellt, ist eine optimale Gelegenheit für ein Kind, Neues zu lernen und sich auszuprobieren.

Preisverhandlungen stärken das Selbstvertrauen

Na gut, ich fand es schon übertrieben, dass ein Vater sein vielleicht vierjähriges Kind losschickte mit dem Befehl: „Du musst den Preis runterhandeln.“ Das würde ich von einem Vorschulkind nicht erwarten, auch nicht von einem Grundschulkind. Was das angehende Schulkind allerdings bewältigen kann, ist nach einem Preis zu fragen. Damit füttert es sein Selbstvertrauen und durch lernt es, eine Frage zu formulieren, auf eine Antwort zu warten, laut genug zu sprechen und eigene Wünsche zu artikulieren. Genau das, was in der Schule von ihm erwartet wird, wo weder Vater noch Mutter hinter ihm stehen. Ermuntern Sie Ihr Kind also, selbst zu fragen, was die tolle Ritterburg oder die coole Kappe kostet und machen Sie den Kauf auch davon abhängig, dass es diese Aufgabe erledigt. Natürlich dürfen Sie dann noch feilschen, dafür sind Sie auf einem Trödelmarkt. Und Sie können auch Ihrem Kind einen Vorschlag machen, dass es einen niedrigeren Preis vorschlägt. Aber erwarten Sie nicht, dass es die Preisverhandlungen selbstständig führt, das kriegen nicht mal Erwachsene hin – 🙂 mich eingeschlossen.

Beim Kaufen entwickelt sich ein Gefühl für Zahlen

Kinder müssen möglichst frühzeitig lernen, dass Zahlen eine Bedeutung haben, dass es also sinnvoll ist, die Zahlen und Rechnen zu lernen. Beim Schreiben leuchtet das jedem Kind ein, aber das Rechnen scheint erst einmal überflüssig zu sein. Das ist meines Erachtens ein Trend, der sich in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich Milch beim Milchmann kaufen musste und habe erlebt, dass Vollmilch und Buttermilch unterschiedlich viel kosten. Und in meiner Kleinstadt-Kindheit kaufte man Brot beim Bäcker, Wurst beim Metzger und sonstige Dinge einzeln im Tante-Emma-Laden. Dadurch hatte ich von klein auf eine Beziehung zum Geld, die ein Kind heute nicht mehr hat, wenn der Einkaufswagen bis oben hin gefüllt ist und es egal ist, ob eine Tafel Schokolade 80 Cent oder drei Euro kostet, weil das in der Summe nicht auffällt. Auf dem Flohmarkt ist das anders. Da zählt der einzelne Gegenstand und Ihr Kind lernt, ob die 50 Cent, die es als Marktgeld bekommen hat, für eine Ritterburg oder ein Minibuch reichen. Diese Erfahrung motiviert, Rechnen zu lernen und hilft außerdem, Schulstoff einzuordnen.

Flohmarktdinge laden zum Erzählen ein

Das war es vielleicht, war bei mich motiviert hat, diesen Beitrag zu schreiben. Ich bekam bei meinem Bummel über den Trödelmarkt mit, wie eine Mutter ihrem Kind erklärte, weshalb sie unbedingt ein bestimmtes Spielzeug kaufen wollte, weil sie selbst damit gespielt hatte und sie hörte nicht auf zu erzählen, welche schönen Erlebnisse sie damit verband. Plötzlich entstand ein Gespräch über die Kindheit der Mutter und darüber, dass sich Dinge ändern, andere Dinge bleiben … Zum Glück gab es an dem Stand auch für mich viel zu sehen, sodass ich ohne aufzufallen zuhören konnte. Das Kind war so begeistert, dass es sich zu weiteren Dingen auf dem Tisch von der Mutter oder dem Verkäufer erklären ließ, was man früher damit gemacht hatte. So hatte es Dinge erfahren, die ihm sonst niemals begegnet wären, sie ihm aber helfen können, kreative Geschichten zu erfinden oder auch Texte aus dem Schulbuch zu verstehen. Vor allem aber war die Neugier geweckt worden und nebenbei hat es Begriffe gelernt, die in keinem Grundwortschatz stehen und die individuelle Sprache des Menschen ausmachen.

Ein Trödelmarkt bietet Spaß, Spannung & Lernerlebnisse

Es mag manchmal so aussehen, als stünde bei meinen Beiträgen immer die Förderung des angehenden Schulkindes mit Blick auf die Einschulung und die Schulfähigkeit im Vordergrund. Das ist mir natürlich wichtig, aber darum geht es nicht nur. Ich erlebe täglich Schulkinder, die Aufgaben nicht verstehen, weil ihnen Erfahrungen fehlen. Sie können nicht einmal artikulieren, was sie nicht wissen, weil es ihnen nicht klar ist. Deshalb plädiere ich bei jeder Gelegenheit dafür, dass Sie Ihrem Kind so viele Erlebnisse verschaffen wie möglich. Und dabei können Sie Ihre eigenen Interessen getrost in den Vordergrund stellen – wenn Sie gerne auf Flohmärkte gehen, nur zu, wenn Sie lieber Museen besuchen, prima, streunen Sie eher durch die Natur, super. Erfahrungsmöglichkeiten sind der größte Schatz, den Sie Ihrem Kind mitgeben können. Dafür brauchen Sie keinen Vorschulkurs und nicht einmal viel Geld, Sie müssen einfach nur die Gelegenheit beim Schopf packen – wie den Trödelmarkt um die Ecke. Es macht Spaß, darüber zu bummeln, es ist spannend, was dort zu sehen ist und vielleicht auch Sie in Ihre Kindheit oder Jugend entführt, und Ihr Kind hat Lernerlebnisse, ohne dass nur einmal das Wort Lernen fällt. Viel Spaß und erzählen Sie gerne, welche Erfahrungen Sie auf dem Trödelmarkt machen.

Grundsätzliches zum Thema Einschulung können Sie hier weiterlesen

Weitere Informationen zum Thema Schulfähigkeit finden Sie hier

 

Unser Blog jetzt-schulkind wird geschrieben von Frau Dr. Birgit Ebbert. Alle Beiträge © Dr. Birgit Ebbert.