Entschleunigen wäre nett, aber bleibt dann nicht vieles liegen? Vor allem die guten Vorsätze für das Jahr, schließlich klappt es noch immer nicht mit dem regelmäßigen Sport und der Meditation, um Stress abzubauen. Das stand doch ganz oben auf der Liste. Abgesehen vom inneren Schweinehund scheitern wir ebenso am Zeitproblem. Wann und wie soll man alles unter einen Hut bekommen?
Um Stress abzubauen, achte auf Resonanzen, Micro-Pausen und eine wertschätzende Haltung deinen Tätigkeiten gegenüber.
Um Stress abzubauen, musst du dich einlassen
Entschleunigung wäre eine Option, um das Zeitkonto zu füllen und Stress abzubauen. Gefühlt werden die Tage nämlich immer kürzer, nach Stand der Sonne dagegen immer länger und de facto hat jeder Tag exakt 24 Stunden. Da stimmt also etwas nicht. Der Soziologe Hartmut Rosa hat viel Kritisches über die Beschleunigung der Gesellschaft geschrieben. Und interessanterweise scheint für ihn Resonanz eine Art Lösung dieses Problems zu sein. Statt also strukturierte To-do-Listen zu erstellen, um alles möglichst effizient abzuarbeiten, geht es viel mehr darum, sich einzulassen.
„Resonanz ist eine Grundsehnsucht nach einer Welt, die einem antwortet. Und die in jedem Menschen angelegt ist, weil wir Beziehungsmenschen sind. Wenn diese Sehnsucht eingelöst wird, weil jemand aufgeht in einem bestimmten Bereich, führt er ein gelungenes Leben.“
Hartmut Rosa, aus Spiegel online-Interview
Stimmt irgendwie, denn sobald ich mich wirklich auf etwas einlasse, entzerrt sich die Zeit, jawohl, sie entschleunigt sich. Meine Tochter wollte zum Beispiel neulich Abend unbedingt, dass ich mit ihr zusammen ein Buch lese, das sie für die Schule lesen muss. So wie früher zusammengekuschelt unter einer Decke auf dem Sofa. Eigentlich eine schöne Idee, aber der Tag war bis obenhin gefüllt gewesen und ich sehnte mich danach, abzuschalten und in Ruhe gelassen zu werden. Natürlich hat mein weiches Mutterherz nachgegeben, wenn auch innerlich murrend. Erst genervt, denn die Zeit hätte ich ebenso gut auch für die Wäsche nutzen können, doch dann – oh Wunder – mit Genuss! Das Buch war interessant, wir haben zusammen darüber geredet, auch viel gelacht und schließlich wie früher im Wechsel die Passagen laut vorgelesen. Und tatsächlich: Danach fühlte ich mich entspannt und angekommen. Diese gemeinsame Zeit half mir, meinen inneren Stress abzubauen. Hartmut Rosa spricht hier von „Resonanzmomenten“, die man abgesehen vom Miteinander ebenso in einem Museum beim Betrachten eines Bildes, beim Musizieren, beim Malen oder bei einer Tätigkeit, in der man aufgeht, erleben kann.
Stress abbauen und in Resonanz gehen
„Wir lernen unseren Geist durch den Umgang mit Menschen kennen. Die Wahrnehmungen unserer Spiegelneuronen sowie die daraus entstehende Resonanz wirken schnell und meist unbewusst.“
Dr. med. Daniel J. Siegel, Professor für Psychiatrie, aus: „mindsight“
Spiegelneuronen sind Nervenzellen im Gehirn, die Stimmungen unseres Gegenübers auf uns transformieren beziehungsweise bei uns auslösen. Guckt dein Partner dich an und gähnt, beginnst du auch zu gähnen. So in etwa kannst du dir das vorstellen. Bist du also spürig in Bezug auf Resonanzen, kannst du vorsorgen, indem du diese achtsam wahrnimmst. So hast du die Möglichkeit, dich von „schlechten“ Resonanzen zu distanzieren und dich für „gute“ zu öffnen. Hört sich kompliziert an, ist aber im Grunde recht einfach. Erst einmal musst du in dich hineinspüren, um deine eigene Rastlosigkeit wahrzunehmen: Atemrhythmus, Körperhaltung, Bauchgefühl. Dadurch rückst du automatisch näher an dich heran, so dass es dir leichter fällt, aus der Distanz heraus die Resonanz um dich herum zu spüren. Zum Beispiel die innere Anspannung deiner Kollegin oder die Ruhe und Ausgeglichenheit des Verkäufers, bei dem du täglich deine Zeitung kaufst. Achte einmal bewusst auf Resonanzen und wie diese dich beeinflussen. Übrigens entschleunigt bereits der Moment, in dem du bewusst dich selbst und deine Umgebung wahrnimmst, dein Zeiterleben.
Sobald ich mich mit meiner sinnlichen Wahrnehmung, auf das, was ich tue, einlasse, entschleunigt sich mein Zeitempfinden. Ich trete in Verbindung – in Resonanz.
Achtsames Erkennen entlarvt unnötige Stressoren
Nun ist das Beispiel mit der gemütlichen Lesestunde natürlich eine schöne Tätigkeit, bei der es wohl jedem leichtfallen würde, sich voll und ganz einzulassen und sich ebenso gerne in Bezug auf Resonanz „anstecken“ zu lassen. Doch selbst bei „Dingen“, wie zum Beispiel die vorhin erwähnte Wäsche, die erledigt werden muss, kannst du in Resonanz gehen. Das hört sich jetzt abgedreht an, doch in dem Moment, wo du bewusst wahrnimmst, nimmst du ja zuerst einmal dich selbst achtsam wahr. Du spürst aufmerksam in dich hinein – in deine Gefühle und deinen Körper – und so entsteht quasi ein Moment der Pause. In diesem Moment kannst du klar erkennen, warum du dich am Ende eines arbeitsreichen Tages auch noch mit der Wäsche stresst und welche inneren Antreiber dich dabei am Wickel haben.
Indem ich mit mir selbst in Resonanz trete, erkenne ich Gedankenmuster und Konditionierungen, die mich unbewusst antreiben und unter Strom halten.
Fehlende Wertschätzung erhöht den Stress
Selbstverständlich stressen uns Verpflichtungen, für die wir wenig oder gar keine Wertschätzung erhalten, weitaus mehr als andere Aufgaben. Doch hier kannst du bereits im Kleinen etwas ändern. Zurück zum Beispiel mit der Wäsche: Als aufmerksamer Ehegatte bedankt sich mein Mann pflichtbewusst bei mir: „Danke, Schatz, dass Du die Wäsche gemacht hast.“ Und ich: „Kein Problem“. Stopp! Sage ich stattdessen „Gern geschehen“ oder „Das habe ich gerne gemacht.“, kriegt die ganze Geschichte eine andere Wertigkeit. (Etwa nach dem Motto: Ich sorge gut für meine Familie.) Fühle einmal in die Sätze hinein, merkst du den Unterschied? Um Stress abzubauen, ist es eben auch wichtig, dass deine Tätigkeiten von dir selbst wertschätzend wahrgenommen werden. Es geht um deine Haltung gegenüber dem, was du täglich verrichtest.
Eine wertschätzende Haltung gegenüber den Alltagsaufgaben trägt unterschwellig dazu bei, wie sehr wir uns gestresst fühlen. Je mehr bewusste Wertschätzung wir uns und unseren Tätigkeiten schenken, desto entschleunigter fühlt sich unser Alltag an.
Stress abbauen mit Micro-Pausen
Manchmal hilft es auch, für ein kurzen Moment aus allem auszusteigen: Zum Beispiel aus dem Fenster zu blicken oder sich zu recken und zu strecken und ein wenig den Nacken zu massieren oder mal eben ein paar Schritte durch den Raum zu gehen. Diese Mini-Auszeiten halten Dich nicht von der Arbeit ab, im Gegenteil: Micro-Pausen helfen Dir dabei, effizienter zu sein.
Im Grunde sind diese Mini-Pausen kleine Momente der Achtsamkeit. Momente, in denen du bewusst deinen Körper spürst und in Kontakt mit dir selbst kommst. In solchen Momenten entschleunigst du und aktivierst deine Kraftreserven.
In diesem Sinne entschleunige ich jetzt auch und schiebe meinen Wäschekorb wieder in die Ecke. Dabei gehe ich in Resonanz mit mir und schnapp mir die Schullektüre meiner Tochter, die war nämlich richtig spannend. Und dabei kann mir die Zeit gerne mal davonlaufen.
- Um Stress vorzubeugen und Kraft zu tanken, mache ich zwischendurch immer wieder mal eine Micro-Pause.
- Leidigen Pflichten des Alltags versuche ich mehr Wertschätzung beizumessen, indem ich meine Haltung dazu ändere.
- Ich versuche Resonanzen wahrzunehmen und zu unterscheiden. Erst einmal bei mir selbst und dann in Bezug auf meine Umgebung..
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