Wie kannst du dich dieser Tage davor schützen, dass deine Angst dich nicht regiert? Wie kannst du dich abgrenzen von Panik und Hoffnungslosigkeit? Lassen wir es zu, dass die Angst, die der Krieg in Europa bei uns allen auslöst, die Oberhand gewinnt, verlieren wir. Wir verlieren die Hoffnung, das Vertrauen und die Liebe. So weit darf es nicht kommen.
Es ist schwer, sich von dem beängstigenden Gefühl des Kontrollverlusts abzugrenzen, doch im Teilen der Sorgen und Ängste wachsen Vertrauen und Hoffnung.
Abgrenzung von dem inneren Schrecken
Es ist Krieg. Krieg mitten in Europa.
Eigentlich wollte ich in diesem Blog die Schreckensmeldungen des Alltags außen vorlassen. Deswegen sollten auch Corona & Co. hier nichts zu suchen haben, denn mein Anliegen ist es, dass du beim Lesen der Beträge das Gefühl hast, hier geht es um dich, um deine kleinen und großen Hürden des täglichen Lebens. Ich wollte möglichst nahe an dich heranrücken, unabhängig von dem Geschehen dort draußen.
Doch es ist Krieg. Mitten in Europa.
Was macht das mit Dir? Jeder hat Angst, egal mit wem ich spreche. Manchmal überwältigt mich die Angst so sehr, dass ich wie paralysiert sitze und erst einmal tief ein- und ausatmen muss, um mich zu beruhigen. Innerlich verkrampft sich alles und die Angst schwappt wie Kloake hoch an den Rand eines Trogs. Ich will mich abgrenzen von meinem inneren Schrecken, den dieser Krieg ausgelöst hat. Was mir dabei hilft? Sprechen. Immer wieder rede ich mit Freunden und meiner Familie über das Geschehen. Ich teile meine Angst. Damit gebe ich dem Gefühl der Angst Raum, lasse es zu und verzweifle dennoch nicht daran, weil es aufgehoben ist im Miteinander.
Sich von der Angst abgrenzen?
Ich glaube, man kann sich nicht von der Angst abgrenzen, denn sie ist etwas Reales, also stehe ich dazu. Der Krieg zeigt uns gnadenlos, dass wir keine Kontrolle haben. Dieser Kontrollverlust macht Angst. Denn normalerweise haben wir in unserem Leben doch immer alles mehr oder weniger im Griff. Schaue ich Videos von den armen Menschen auf der Flucht oder wie die Militärfahrzeuge im Konvoi entlang eines verlassenen Kinderspielplatzes rollen, puh, das ist schwer auszuhalten. Und dennoch: Die Angst darf nicht siegen. Wie tapfer sind die Menschen in der Ukraine und wie furchtlos gehen Tausende von Russen auf die Straße, um gegen diesen Wahnsinn zu demonstrieren, wohlwissend, dass sie im Gefängnis landen. Nein, lass deine Angst nicht Überhand nehmen, vertraue in das Menschsein und teile, was dich bewegt. Im Miteinander siegt die Liebe über die Angst.
Abgrenzung von der Machtlosigkeit
Das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins zeigt deutlich, wie Willkür uns jeder Zeit den Boden unter den Füßen wegziehen kann. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner wahrhaftigen Art und Weise, wie er mit einfachen Worten mutig die Angst besiegt und für sein Volk eintritt, gibt uns vielleicht die Motivation, uns selbst ebenso von beängstigenden Gedanken abzugrenzen und ebenfalls aktiv zu werden. Es hilft, ins Tun zu kommen. Helfen, um die eigene Hilflosigkeit zu besiegen und im Miteinander Hoffnung und Mut zu finden. Wo kann man Kleidung und Decken spenden oder wo kann man vor Ort sein, um die Ankunft der Flüchtlinge mit Herzlichkeit und Wärme zu begleiten. In dem Moment, wo du etwas tust und dich nicht länger von deiner Angst paralysieren lässt, in dem Moment verschwindet das Gefühl der Machtlosigkeit.
Abgrenzung vom Hass und Hinwendung zu einem Miteinander
Der Bürgermeister Vitali Klitschko betont in einem Video, dass die Ukrainer keinen Hass auf die Russen hätten und er selbst verspüre auch keinen Hass. Menschsein bedeutet füreinander da zu sein. Menschsein bedeutet, den anderen zu respektieren und ihm mit Liebe zu begegnen. In einem Krieg werden die menschlichen Werte einfach in den Boden gestampft und wie Porzellan zerschlagen. Und das Volk, das ukrainische und auch das russische, die ganz normalen Bürger wie du und ich, sie müssen am Ende diese Werte wieder auflesen und flicken.
Ich reiste vor einigen Jahren allein nach Kiew und war beeindruckt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen. Ich erinnere noch, dass ich die junge Rezeptionistin in meinem Hotel bat, mir ein Ticket für das Ballett zu besorgen. Die Vorstellung war jedoch leider ausverkauft. Am nächsten Abend dann kam die junge Frau zu mir und reichte mir eine Karte. Den Abend zuvor hätte ihr Freund noch eine Eintrittskarte über zig Ecken irgendwie auftreiben können.
Ich bete für die armen Menschen in Kiew und für die mutigen russischen Protestanten. Ich schaue, wo und wie ich helfen kann, und lasse mich von der Welt, die aus den Fugen geraten ist, nicht in meiner Liebe und Hoffnung, in meinem Glauben an das Gute, beirren. Ich will das nicht zulassen.
Ja, es ist Krieg. Krieg mitten in Europa.
Und wir halten zusammen.
- Ich teile meine Ängste, spreche mit Freunden und Familie darüber.
- Meiner Hilflosigkeit, die mir Angst macht, begegne ich mit Aktivismus: Wo kann ich helfen?
- Ich grenze mich ab von dem Anspruch, meine täglichen Verpflichtungen wie gehabt schaffen zu müssen. In diesen Tagen lasse ich vieles liegen, denn ich erlaube es mir, gedanklich bei den Menschen zu sein, die vom Krieg hautnah betroffen sind.
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