Wertschätzung verbindet

Endlose Diskussionen, ausufernde Argumentationen und am Ende weiß man selbst nicht mehr, worum es anfangs eigentlich ging. Bist du ein achtsamer Zuhörer? Bleibst du in Gesprächen bei der Sache oder verrennt du dich schnell in hitzige Wortgefechte? Ich neige dazu, alles persönlich zu nehmen. Wertschätzung für die andere Sichtweise meines Gegenübers fällt mir nicht immer leicht.

Wertschätzung basiert auf respektvoller Toleranz

Ein Streit mit einer Freundin. Das ist schon ein paar Wochen her, doch seitdem herrscht Funkstille. Ich mag sie sehr und es tut weh. Deswegen auch die vielen Gedanken über diesen Streit, der sicherlich zu vermeiden gewesen wäre. Hätten wir beide achtsamer unsere jeweiligen Sichtweisen und Gefühle wertgeschätzt, ich denke, es wäre alles anders gelaufen. Jeder Mensch sieht die Welt mit seinen individuellen Gefühlen und Erfahrungen. Niemand, aber auch wirklich niemand, sieht genau das, was du siehst. Deswegen hat jeder Mensch ein Recht auf seine Empfindsamkeiten, die respektiert statt kritisiert werden sollten. Diese Haltung schafft gegenseitige Wertschätzung.

Achtsamkeit bringt somit spezifische Qualitäten in die Beziehung: Wertschätzende Akzeptanz statt Kritik und Verachtung, Öffnung statt Rechtfertigung und Mauern, Entspannung statt Überflutung.

 H. Weiss, M.E. Harrer, T. Dietz, aus: „Das Achtsamkeitsübungsbuch“

Jedes Miteinander ist eine Übung in Nächstenliebe

Eine Beziehung ist immer Begegnung. Eine Beziehung fordert von uns täglich, uns mit dem Partner als komplett individuelles Wesen auseinanderzusetzen. Und ich glaube, je achtsamer wir mit uns selbst umgehen, desto klarer erkennen wir, wie wichtig gerade in einer Beziehung die Wertschätzung der Andersartigkeit ist. Wie oft habe ich mich schon verbogen, in dem Irrglauben, es jemanden Recht machen zu müssen. Oder aber habe gekämpft wie eine Löwin, nur um meinen Standpunkt durchzuringen. Alles völliger Blödsinn. Sein, wie man ist, und den anderen sein lassen, wie er ist.

Entscheidend in der Begegnung ist, ob beide Seiten sich in ihren Gefühlen wahrgenommen, respektiert, verstanden und wertgeschätzt fühlen.

Bei diesem Thema ist mir Folgendes aufgefallen: In Konfliktgesprächen mit meinem Mann spüre ich trotz fehlender Kongruenz, dass er mich wertschätzt. Dadurch wird unsere Begegnung von einem Vertrauen getragen, von Liebe. Und es ist egal, ob wir am Ende des Gesprächs einer Meinung sind oder nicht.

Vielleicht hätte es bei dem Streit mit meiner Freundin uns beiden gutgetan, den anderen mit seinen Empfindsamkeiten zu lassen und wertzuschätzen, dass diese Empfindsamkeiten offen ausgesprochen werden. Viel zu schnell neigen wir dazu, alles persönlich zu nehmen. Mithilfe von Achtsamkeit können wir jedoch üben, unser Ego zurückzustellen, um einfach nur wahrzunehmen, was überhaupt ist. Denn nur so sehen wir auch, was wirklich ist.

Von der Wertschätzung ist die Bewertung zu unterscheiden. Wertschätzung ist eine Folge des Wahrnehmens, Bewertung eine des Denkens und Urteilens.

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Mitgefühl als Basis jeglicher Kommunikation

Im Buddhismus gibt es vier Elemente der Liebe: maitri (Freundschaft, Wohlwollen), was so viel bedeutet, dem anderen mit Wohlwollen und Liebe zu begegnen, indem man durch achtsame Präsenz ein Verstehen entwickelt. Karuna steht für Mitgefühl und liebende Güte, mudita ist die Mitfreude und das letzte Element upeksha beschreibt den Gleichmut, sprich die Fähigkeit, dem Anderen Freiheit zu schenken, innere und äußere Freiheit.

Sobald du achtsam deine Gefühle wahrnimmst, sie benennen kannst und erkennt, woher diese Gefühle rühren (geringes Selbstwertgefühl, alte Verletzungen), bist du in der Lage, sie aus der Distanz zu betrachten und Mitgefühl für dich selbst als und auch für dein Gegenüber zu entwickeln. Für mich ist Mitgefühl die Grundlage für Wertschätzung. Und auf diesem Fundament entfalten sich die vier Elemente der Liebe.

Schaut einmal selbst, inwieweit du in der Lage bist, statt sofort emotional zu reagieren, erst einmal in die Achtsamkeit zu gehen und aus einer Distanz zu schauen, was hier passiert.

Auf der anderen Seite wirken sich Anspannungen in Beziehungen trennend aus. Entspannung öffnet, macht präsent und verfügbar.

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Um einen Dialog auf wertschätzendem Niveau führen zu können, brauchen wir Ruhe in uns. Vielleicht hast du schon einmal von den 6 Schritten des „Einsichtsdialogs“ gehört. Im Grunde eine Art Fahrplan für achtsame Kommunikation, für Wertschätzung in Beziehungen.

1. Mache Pause
   Statt gleich zu reagieren, gehe erst einmal in die achtsame Stille.
2. Entspanne
   Sobald dein Körper entspannt, wird es auch in deinem Geist ruhiger.
3. Öffne dich
   Aus der Achtsamkeit den Blick nach außen wenden, auf das, was im Moment ist.
4. Vertraue
   Lasse Erwartungen los und vertraue in die Entstehung, die Entwicklung der Situation.
5. Höre achtsam zu
   Höre dem anderen ohne Bewertung zu. Dabei schenkt ihr euch einander Gegenwärtigkeit und Präsenz und schaut wertfrei auf eure Reaktionen.
6. Sei ehrlich
   Sage ehrlich, wie du dich fühlst, ohne Vorwurf, lediglich Ausdruck deiner Wahrnehmung.

Das war jetzt die zusammengefasste Version. Natürlich lässt sich das alles noch viel ausführlicher beleuchten.

Erst durch achtsames Zuhören entsteht eine Verbindung zwischen uns Menschen. Und aufrichtiges, wertfreies Zuhören basiert immer auf gegenseitiger Wertschätzung.

Im Grunde geht es doch immer um Verbindung. Wir möchten uns verbunden fühlen, weil wir uns geliebt und wertgeschätzt fühlen möchten. Ich, du, wir alle. Meine Freundin, mit der ich nun leider zerstritten bin, sie natürlich auch. Und manchmal bedarf es dafür ein wenig achtsame Übung … und Zeit.

• Ich werde mir die 6 Schritte des Einsichtsdialogs einprägen und zukünftig in Gesprächen schauen, inwieweit ich sie anwenden kann.
• Ich gestehe anderen ihre Interessen und Sichtweisen zu und betrachte diese bewusst mit Wertschätzung. Differenzen trennen nicht!
• Meine Interessen und Sichtwesen nehme ich ebenfalls mit Wertschätzung wahr, spüre in mich hinein, wie stimmig diese sich anfühlen und stehe dazu.