Es grünt so grün und Pfingsten steht vor der Tür. Wenn das kein Grund zur Freude ist. Was, du hast für die Feiertage noch nichts geplant? Wie wäre es mit „glücklich sein“? Das wäre doch mal ein Vorschlag. Mich nerven nämlich gerade all die Menschen, die permanent auf Sinnsuche sind. Alles muss sinnvoll genutzt werden. Ein langes Wochenende sinnlos verstreichen zu lassen, das geht so gar nicht.
Spürst du Dankbarkeit in deinem Herzen, erübrigt sich die Sinnfrage.
In Dankbarkeit Freude genießen
To Pingsten, ach wie scheun, – wenn de Natur so greun,
un all’ns na buten geiht, dat is een wohre Freid!
Aus: „De Pingsttour“ (Youtube Video)
Heinrich Köllisch (1857 – 1901) schreib diese netten Zeilen in plattdeutscher Mundart. Und später geht es weiter…
De Vadder geiht voran, – een witte Maibüx an,
sien Jung kummt in de Mitt, – natürlich ook in Witt, …
Ich liebe diese Verse und jedes Mal, wenn ich sie lese, freue ich mich. Sinnlos ist das, denn ich habe sie schon Tausend Mal gelesen und erfahre dabei nichts Neues. Aber es bringt mir Spaß. Meine Laune steigt sofort und ich denke an das viele Plattdeutsch, das bei den Großeltern und zum Teil bei den Eltern noch gesprochen wurde. Ich erlebe beim Lesen dieser Strophen einen Moment voller Glück und Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass ich dieses „Erbe“ in mir trage. Mehr braucht es nicht. Für mich ein absolut sinnvoller Moment.
Dankbarkeit lässt uns mit dem Herzen denken
Auch die schweizerische Philosophin Martina Bernasconi gab auf die Frage nach dem Sinn des Lebens eine ziemlich perfekte Antwort: „…sinnlos glücklich zu sein.“
Nur scheint genau das nicht so einfach zu sein. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber ich bin in der Regel viel zu verkopft. Fast alles, was ich tue, hat irgendeinen Sinn, denn ich habe ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein. Meine Kinder hatten letztes Wochenende beim Ausmisten ihrer Schränke (Wir werden bald umziehen.) alte Seifenblasen-Dosen gefunden. Prompt war das Ausmisten vergessen und sie hatten Spaß, die feuchten Blasen in ihren Zimmern zu verteilen. Mein Sohn fand noch ein Pupskissen, womit er sich herrlich amüsierte, und meine Tochter lag schließlich bäuchlings auf dem Teppich und malte Blumen auf ihre Arme, weil die uralten Rubbeltattoos nicht mehr klebten.
Wann hast du dich zuletzt in sinnlose Beschäftigungen gestürzt, bei denen es einzig darum ging, Spaß zu haben?
Ich beobachtete dieses sinnlose Treiben und fühlte Dankbarkeit im Herzen. Und gleichzeitig war ich traurig, denn hätte ich ausgemistet, hätte ich Seifenblasen, Pupskissen und Rubbeltattos einfach so in eine Kiste gepackt und weiter.
Ich bin auf „Pflichterfüllung“ geeicht. Aber zum Glück lässt sich unser Gehirn bis ins hohe Alter verändern. Neurowissenschaftlich spricht man hier von Plastizität. Pflichtgefühle, Ängste und was sonst noch für Ballast auf unserer Leichtigkeit lastet, all das hat im Laufe der Jahre feste Nervenbahnen geformt, die wir jedoch Dank dieser Plastizität aufbrechen können. Lassen wir mehr „Sinnloses“ in unserem Alltag zu und begegnen wir dem Gegebenen mit Dankbarkeit, so bilden sich neue Verästelungen. Und dann entdecken wir bei der Sinnsuche die Antworten im sinnfreien achtsamen Erleben.
Der Schlüssel dazu, sich eines glücklichen und erfüllten Lebens erfreuen zu können, ist der Bewusstseinszustand. Das ist das Wesentliche.
Dalai Lama
Neulich fragte mich jemand, ob ich glücklich sei. Glück ist kein Dauerzustand und die Frage beschäftigte mich noch lange. Hätte ich mehr Zeit zum Antworten gehabt, hätte ich gesagt: „Ich bin dankbar.“ Denn seitdem ich achtsamer geworden bin und die Dinge bewusster wahrnehme, all die vielen Kleinigkeiten, erkenne ich so vieles, für das ich dankbar bin. Spontan würde ich die Frage anders beantworten: „Nein, ich bin traurig.“ Traurig, weil mein Vater erst gestorben ist und gerade jetzt zu Pfingsten hätten wir etwas Schönes unternommen. Und garantiert hätte er dabei die anfangs notierten Zeilen der lyrischen Pfingsttour zitiert. Doch in der Traurigkeit über diesen Verlust fühle ich tiefe Dankbarkeit für all die schönen Erinnerungen.
Erkennen wir in einer Aufgabe oder Tätigkeit einen Sinn, der uns ausfüllt, spüren wir tiefe Zufriedenheit. Doch es sind die Spitzen, spontane Lichter des Glücks, die aufleuchten und verglimmen, die sich tief in unser Herz prägen.
Fühlst du Dankbarkeit, erübrigt sich die Sinnfrage
Es sind diese Glücksmomente, die unser Herz für den Augenblick zum Hüpfen bringen. Für diese Momente braucht es keinen Sinn, für diese Momente reicht das achtsame Sein, denn sie sind vollkommen.
Während ich all das hier schreibe, muss ich an einen Moment denken, der komplett sinnbefreit war und dennoch für die größte Freude sorgte. Als meine Tochter noch kleiner war, hatte sie die Angewohnheit, sobald ich entspannt in der Badewanne lag und nur meine Ruhe haben wollte, sofort ins Badezimmer zu kommen, sich auf den Wannenrand zu setzen und ohne Punkt und Komma zu quatschen. Entspannend war das nicht. Einmal reichte es mir und ich griff spontan nach ihr und zog sie in voller Montur zu mir ins Wasser. Ein komplett sinnloser Spaß, was hatten wir gelacht.
Wir sollten viel öfter sinnlosen Quatsch und Spaß machen. Uns eine kindlichere Haltung angewöhnen und nicht immer alles so ernst und sinnvoll betrachten.
In Bezug auf sinnlose Glücksmomente sind Kinder die besten Lehrmeister: durch Pfützen laufen, Salmimuster mit Spucke auf die Hand kleben, Wolkentiere erraten und so vieles mehr.
Nutze die Pfingsttage, um zu gucken, welche sinnlosen Tätigkeiten dich glücklich machen. Da fällt mir ein Pfingstbrauch ein: Mancherorts spielt man seinen Nachbarn am Abend des Pfingstsonntags harmlose Streiche, wie etwa Gartentüren aushängen oder Gartenmöbel verrücken. So sollen die bösen Wintergeister vertrieben werden. Ob die Geister wirklich verschwinden, wer weiß, auf jeden Fall werden die „Übeltäter“ bei dem Schabernack jede Menge sinnlosen Spaß haben.
- Ich schreibe eine Liste von „sinnlosen“ Dingen, die mich glücklich machen.
- In Momenten, in denen ich glücklich bin, halte ich inne, spüre in mich hinein und spüre der Dankbarkeit nach.
- Sobald ich spüre, dass mich Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl wieder voll im Griff haben, schaue ich auf meine Liste und mache etwas komplett „Sinnloses“.
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