Als Jäger und Sammler kann man mich nicht bezeichnen, ich mag es aufgeräumt. Doch ich neige zum Horten. Ich halte an Gewohnheiten fest, brauche einen vertrauten Radius und Neues macht mir oft Angst. Doch im Loslassen entdecke ich, wie mein Vertrauen wächst und auch mehr Dankbarkeit fließen kann.
Eingeengt durch Gewohnheiten und Vorstellungen bleibt wenig Platz, um Dankbarkeit fließen zu lassen und die Freude am Sein zu spüren.
Loslassen und das Schöne entdecken
Die kleinen Freiheiten sind es, die Licht auf den Alltag werfen und im Alltäglichen etwas Besonderes schaffen. Nicht jeder hat die Möglichkeit, seinen Alltag frei zu gestalten, eher wohl die wenigsten von uns. Und dennoch gibt es immer Möglichkeiten, dem Konstrukt des Festgefahrenen zu entfliehen.
Indem wir uns zum Beispiel zu dem Verkäufer der Obdachlosen-Zeitung stellen und mit ihm für eine Weile ein nettes Gespräch beginnen, oder uns selbst auf dem Heimweg von der Arbeit mit einem schönen Blumenstrauß beschenken, gerade dann, wenn sich die Sorgen und Lasten viel zu schwer auf unseren Schultern anfühlen. Und statt täglich zielgerade deiner Wege zu gehen, erlaube dir kleine Umwege, auf denen du neues Erleben zulässt, indem du zum Beispiel noch einen Abstecher durch den Park machst und dich an den farbenfrohen Tulpenbeeten erfreust.
Unsere Gewohnheiten haben uns meist streng im Griff. Ebenso innere Zwänge, doch diese sind es insbesondere, die uns vom Erleben des gegenwärtigen Moments abhalten. Öffnen wir uns jedoch für ein bewusstes Erleben, lassen wir los und lassen das Schöne in unser Bewusstsein strömen und damit auch in unser Herz. Und genau das sind die Momente, die es ermöglichen, dass du Dankbarkeit spüren kannst, dass dir plötzlich bewusstwird, wofür du alles dankbar sein kannst. Oft sind es nur Kleinigkeiten, doch ihre Wirkung ist gewaltig.
Innere Zwänge verhindern, dass wir loslassen und sehen, was es noch alles gibt, und wie viel Schönheit uns umgibt.
Oft merken wir gar nicht mehr, wie verstrickt wir in Zwängen und Gewohnheiten sind, die unsere Handlungen und unsere Emotionen viel mehr beherrschen, als wir uns eingestehen möchten. Sie geben uns einen Rahmen, sie wiegen uns in einer eingebildeten Sicherheit, vermitteln uns Geborgenheit und ein Gefühl von Dauer.
Deswegen macht das Loslassen Angst. Doch du musst deine Hand erst öffnen, damit du dort etwas Neues hineinlegen kannst. Je enger dein Korsett aus Zwängen und Gewohnheiten geschnürt ist, desto weniger Platz ist dort auch für Dankbarkeit. Denn um Dankbarkeit bewusst zu spüren, musst du dich öffnen und das Leben hineinlassen.
Dankbarkeit bändigt die Angst
Eine unserer drei Grundängste ist die Angst, keine Kontrolle zu haben. Und diese Angst bewirkt, dass wir unseren Alltag immer unfreier gestalten. Dabei können wir gar nicht die Kontrolle haben. Leben passiert, ob du nun tausend Pläne machst oder nicht. Ich muss gerade an meine Tochter denken, die vor ein paar Monaten nur mit einem Rucksack auf den Schultern für ein Jahr nach Australien gereist ist. Sie hatte nichts geplant, außer die ersten Übernachtungen, alles andere sollte sich ergeben.
Was hat sie bisher nicht alles erlebt! Sie war mutig und hat dieser Grundangst des Kontrollverlusts die Stirn geboten. Und sie hat viele Momente erlebt, für die sie sicherlich ein Leben lang dankbar sein wird. Nicht nur schöne, auch schwierige, herausfordernde Momente, doch diese Momente haben sie wachsen lassen und genau dafür wird sie irgendwann sehr dankbar sein.
Um mehr Dankbarkeit in unser Leben fließen zu lassen, müssen wir mutiger werden und uns davon lösen, immer alles nach unseren Wünschen gestalten zu wollen. Wir sollten lernen, jeden Tag so zu nehmen, wie er kommt, um uns mit ihm wohlzufühlen. Denn ob wir nun Festhalten an der Kontrolle oder nicht, wir sind nicht vor den Gewittern des Lebens gefeit, es blitzt, grummelt und donnert trotzdem. Jedoch entdecken wir im Loslassen der Kontrolle das bewusste Wahrnehmen und wir sehen plötzlich wieder das viele Kostbare, das uns das Leben eben auch beschert.
Wer sich mutig dem Leben anvertraut erlebt Momente, deren Kostbarkeit das Herz mit Dankbarkeit füllen.
Zu viele Gedanken schaden der Wahrnehmung
Es gibt Menschen, die machen sich insgesamt weniger Gedanken um all das, was passieren könnte. Sie vertrauen. Ich zähle leider zu den Menschen, die sich um alles viele Gedanken machen. Doch achte ich einmal bewusst darauf, was es mir bringt, dieses tägliche „Sich-Gedanken-machen“, dann stelle ich schnell fest, es bringt mir Sorgen und Kummer, hilft aber gar nichts. Und wie oft stelle ich rückblickend am Abend fest, dass es mal wieder ein gedankenschwerer Tag war, wobei nicht einer meiner Gedanken an der Situation, die mich gerade belastet, etwas geändert hat.
Mein Fazit: Weniger denken und mich dafür bewusster einlassen auf das Erleben des „Jetzt“. Die Augen öffnen und mit allen Sinnen schauen und spüren, statt getrieben von meinen Gedanken wie mit Scheuklappen meiner Wege zu gehen. Vielleicht fragst du dich jetzt, wie das gehen soll, weniger zu denken. Doch indem du dir bereits bewusstwirst, wie sehr du dich gedanklich einnehmen lässt, hast du bereits den ersten Schritt getan.
Nun kannst du dich entscheiden, ob du dich weiterhin vom Zahnrad deiner Gedanken zermalmen lässt oder aus dieser Situation befreist, indem du dich bewusst daraus löst, die Kontrolle abgibst und dich achtsam in das Erleben dessen begibst, was im Moment gerade wirklich ist.
Loslassen bedeutet, weniger zu fürchten, mehr zu lieben und das Herz für Dankbarkeit zu öffnen.
Feste Vorstellungen bauen Widerstände auf
Loslassen schafft in unseren Köpfen kreativen Raum. Je mehr ich versuche, alles zu planen und zu organisieren, desto mehr schrumpft dieser kreative Raum. Meine Vorstellungen davon, wie etwas sein soll, bauen in mir Widerstand auf. Widerstand gegen das Loslassen. Beispielsweise erinnere ich noch gut die Zeit, als unsere Kinder klein waren. Irgendwie hatte ich die Vorstellung, dass ich als gute Mutter jeden Sonntag dafür sorgen müsste, dass wir gemeinsam als Familie etwas Schönes unternehmen.
Das war oft etwas anstrengend, weil nicht jeder unbedingt Lust dazu hatte. Doch ich versuchte irgendwie immer, an meiner Vorstellung festzuhalten. Dabei waren die Sonntage, an denen ich meinen Widerstand gegen das Loslassen meiner Vorstellung aufgab, nicht weniger schön. Oft ergaben sich dann spontane Ideen. Und beim gemeinsamen Abhängen kamen oft die besten Bastel- und Spielideen auf. Rückblickend kann ich nicht sagen, welche Sonntage schöner waren. Nur weiß ich, dass mein Festhalten an meinen Vorstellungen nicht selten zu Gemurre und Gemaule führte, und oft waren mein Mann und ich nach den Ausflügen recht erschöpft.
So viele unnötige Gedanken, so viele Illusionen und beengende Vorstellungen, wie das Leben gelebt werden soll. In dem Moment der Achtsamkeit erkennen wir: So wie es gerade ist, ist es gut.
Und wie oft entwickelt sich aus einer Situation, wo etwas ursprünglich Geplantes nicht möglich ist, etwas Spontanes und plötzlich erleben wir schöne Momente, die uns viel tiefer berühren. Die wir viel intensiver wahrnehmen und die uns dann bewusst mit Dankbarkeit erfüllen. Neulich hatten meine Freundin und ich, mit der ich schon seit Jahren sehr viel zusammen ins Theater gehe, wieder einmal Karten für eine Vorstellung.
Als das Stück begann, stellten wir beide fest, dass wir es uns bereits angeschaut hatten. Wie uns das passieren konnte, weiß ich noch immer nicht. Doch wir schlichen uns heimlich aus der Vorstellung und saßen dann bis Mitternacht gemütlich in einem Restaurant zusammen und quatschten und quatschten. Auf dem Rückweg war ich dankbar, dass es so gelaufen war, denn wir hatten über so viele Dinge gesprochen und ich spürte eine Nähe zu ihr, wie ich sie lange nicht gefühlt habe.
Das Ungeplante und Spontane berührt uns oft viel nachhaltiger und entlässt uns mit tiefer Dankbarkeit dafür, dass uns das Leben derart schön überrascht hat.
Zulassen bedeutet, mutig loszulassen
Mir fällt zu diesem Thema noch folgende Geschichte ein: Während eines Stress-Management-Seminars hielt die Referentin ein Glas mit Murmeln hoch und fragte, wie schwer dieses Glas wohl sei. Einige Teilnehmer schätzen 500 Gramm, andere das Doppelte. Darauf antwortete die Referentin, dass das eigentliche Gewicht irrelevant sei. Entscheidend sei, wie lange man dieses Glas in der Hand hielte: ein paar Minuten, eine Stunde, einen Tag? Das Gewicht des Glases ändert sich nie, nur unsere Wahrnehmung des Gewichts. Je länger wir es halten, desto schwerer wird es.
Ebenso ist es mit unseren Sorgen und unseren gedanklichen Mustern. Sie wiegen immer schwerer, je längere wir uns an ihnen festhalten. Wir müssen erkennen, wann es Zeit ist, loszulassen. Und erst wenn wir das Glas loslassen, haben wir die Hand frei, um etwas Neues zu greifen.
„Doch es gibt einen weiteren Weg, den Alltag bestmöglich zu bewältigen und dabei der Achtsamkeit in sich den Weg zu bereiten: etwas „ganz“ zu tun und voll dabei zu sein.“
Han Shan, aus: „Achtsamkeit“
In dem Moment, wo wir etwas mit unserer vollen Aufmerksamkeit tun, in dem Moment sind wir uns unseres Handelns komplett bewusst. In diesem achtsamen Moment erkennen wir erst, was wir dort überhaupt tun. Das ist die Chance, das ist der Moment der freien Wahl. Denn im Erkennen haben wir die Möglichkeit, uns anders zu entscheiden und loszulassen. Und die Momente, in denen du die Kontrolle aufgibst, dich dem Moment hingibst, ihn ganzheitlich erlebst, in diesen Momenten öffnest du dein Herz für dankbares Erleben.
- Sobald ich merke, dass ich etwas mache, gedanklich jedoch ganz woanders bin, kehre ich über den Atem zum gegenwärtigen Moment zurück.
- Ich achte bewusst auf meine Muster: Was tue ich nur, weil ich es schon immer so gemacht habe?
- Die Momente, die ich bewusst in Achtsamkeit wahrnehme, lasse ich wirken und spüre in Dankbarkeit das Sein.
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