Mehr Zufriedenheit, der eigenen Stimme lauschen, das Leben genießen. Danach sehnen wir uns alle. Oft stellen wir erst im Nachhinein fest, was uns gutgetan hätte. Dieses intuitive Wissen, unmittelbar zu spüren, darum geht es Hildegard von Bingen. Sobald du mit dir selbst im achtsamen Kontakt bist, fühlst du selbstverständlich, was deinem Wohlbefinden hilft und sorgst gut für dich.
Hildegard von Bingen – Stärkung der körperlichen und seelischen Kraft
Ich gebe zu, viele Freunde und Bekannte, denen ich von Hildegard von Bingen erzähle, runzeln die Stirn. Nach dem Motto: Was will sie denn mit der? Sobald man sich jedoch in ihre Texte einliest, versteht man, warum die Benediktinerin heute so aktuell ist. Ihre Sicht der Dinge, ihr Verstehen der menschlichen Zusammenhänge in Bezug auf Psyche, Körper und Gedanken ist beeindruckend.
Hildegard von Bingen erläutert in ihren Schriften, wie wichtig es ist, bewusst auf das Zusammenwirken von Körper, Psyche und Gedanken zu achten.
Tatsächlich fordert Hildegard von Bingen uns auf, das Leben mehr zu genießen. Sie spricht von der „Kraft des Genießens“. Ich habe hier für dich ein paar Achtsamkeits-Tipps nach Hildegard von Bingen zusammengestellt, die dein Wohlbefinden stärken:
1. Grünkraft sorgt für Vitalität und Spannkraft
Huch, was ist denn Grünkraft? Ein Kraut zum Trinken? Grünkraft, im Lateinischen von Hildegard von Bingen als Viriditas bezeichnet (viridis = grün), steht für unsere Grundkraft . Diese Grundkraft ist in der Natur in allem enthalten – Tiere, Menschen, Pflanzen, Mineralien. Als Teil der Natur beziehen wir unsere Lebenskraft aus der Natur. Natur ist Lebenskraft, Natur ist Grünkraft.
„Viriditas ist die Voraussetzung allen Lebens, sie bringt das Leben zur Entfaltung.“
viriditas-heilpflanzenwissen.com
Bestimmt kennst du Momente, in denen du staunend, ja geradezu ehrfürchtig, die Schönheit der Natur genießt – sei es ein leuchtend roter Sonnenuntergang oder der Blick vom Gipfel ins Tal. Hildegard von Bingen versteht unter Grünkraft auch die geheimnisvoll göttliche Kraft. Religiös oder nicht, in solchen Momenten, überwältigt von der Natur, spüren wir etwas, was unser Fassungsvermögen übersteigt.
Grünkraft nährt uns und hält uns lebendig. Daher ist es kein Wunder, dass wir uns nach einem stressigen Arbeitstag oder einer komplett monotonen Tätigkeit leer und kraftlos fühlen. Doch spüre einmal hinein, welch einen Unterschied es macht, wenn du dich nach der Arbeit nicht direkt nachhause begibst, sondern noch einen Spaziergang machst. Überwinde den inneren Schweinehund, es lohnt sich: Du tankst wieder ein wenig Grundkraft auf, so dass du dich körperlich, geistig und auch seelisch ausgeglichener fühlst. Nutze sämtliche Wege (zur Arbeit, zum Arzt, ins Restaurant etc.) für einen kleinen Gang im Freien. Um unsere Grünkraft zu erhalten, sollten wir uns möglichst oft und regelmäßig in der Natur bewegen.
2. Vier Elemente für mehr Lebenskraft
Nach Hildegard von Bingen sind es vor allem die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, die unsere Lebenskraft – unsere Grünkraft – nähren. Daher ist es wichtig, dass wir dafür im Alltag ein Bewusstsein entwickeln.
„Im Menschen sind Feuer, Luft, Wasser und Erde und aus ihnen besteht er. Vom Feuer hat er die Körperwärme, von der Luft den Atem, vom Wasser das Blut und von der Erde den Körper.“
Nimm zum Beispiel den Apfel, an dem du achtlos nebenbei vor dem Computer knabberst. In ihm sind alle vier Elemente enthalten: Der Apfelbaum ragt mit seinen Wurzeln tief in die Erde und bezieht hieraus seine Nährstoffe. Der Wind verbreitet die Wärme der Sonne, so dass die Blüten an den Zweigen zu Früchten reifen und ohne Wasser wäre das Reifen ebenfalls nicht möglich. Achte einmal bewusst auf deine Nahrungsmittel. Wie viel Grünkraft ist noch in ihnen enthalten? Hildgard von Bingen fordert uns auf, unseren Körper über eine gesunde Ernährung mit ausreichend Grundkraft zu stärken. Deshalb ist es zum Beispiel auch in Bezug auf Obst und Gemüse ratsam, heimische Produkte der Saison zu essen, da in frisch geernteten Nahrungsmitteln die vier Elemente reichhaltig enthalten sind. Und auch bei deinen Spaziergängen in der Natur: Verbinde dich bewusst mit den vier Elementen. Spüre bei jedem Schritt der Kraft der Erde nach, fühle die Wärme der Sonne, aber auch die Feuchtigkeit der Luft auf deiner Haut, und lasse den Wind sanft in deinen Ohren rauschen.
3. Sensibilisierung der Wahrnehmung
Wie in Punkt 1 und 2 beschrieben, ging es Hildegard von Bingen um eine sehr bewusste Wahrnehmung der Natur und der Nahrung. Trotzdem war sie, salopp gesagt, kein Natur-Freak oder penetranter Ökovertreter. Nein, Hildegard von Bingen ging es um eine Art „Spürigkeit“. Sie beschrieb in ihren Werken viele Kräuter und Gewürze, die einerseits positiv auf unseren Körper wirken, andererseits auch einen positiven Effekt auf unsere Seele haben (z.B.: stimmungsaufhellend oder beruhigend). Hildegard von Bingen spricht von „Subtilität“, was so viel wie Heilwirkung bedeutet, die in jeder Pflanze und in jedem Wesen innewohnt.
„Subtilität ist sozusagen die „spezifische seelische Komponente“, die jedem Wesen und jeder Pflanze innewohnt und auf den Menschen wirkt.“
Je achtsamer du dir deiner Nahrung bewusst wirst, desto spüriger wirst du auch für die Wirkung einzelner Zutaten. Dabei geht es um kleine Nuancen: Zu kalte Getränke verbrauchen unnötig Energie, um das ausgewogene Kälte-Wärme-Verhältnis im Organismus wieder herzustellen. Und besteht eine Mahlzeit aus vielen verschiedenen Zutaten, benötigt der Magen viel Energie für die Verarbeitung. Spüre demnächst achtsam in deinen Körper hinein, was deine gewohnten Mahlzeiten energetisch, aber auch stimmungsmäßig bei dir auslösen. Subtilität ist eine Aufforderung, achtsam zu experimentieren, um das individuelle Wohlbefinden zu optimieren.
4. Das rechte Maß als persönlicher Wohlfühl-Index
Disrectio – wieder so ein netter Hildegard von Bingen-Begriff. Übersetzt bedeutet Discretio so viel wie die Gabe der Unterscheidung oder kurz gesagt: das rechte Maß. Und daran war Hildegard von Bingen sehr gelegen, sozusagen ihre Lieblingstugend. Heute ist es nämlich gar nicht so einfach, für sich das rechte Maß zu finden, da von uns immer mehr gefordert wird – ewige Jugend, Fitness bis ins hohe Alter, Karriere, Erreichbarkeit rund um die Uhr, vorbildhafte Ernährung und so vieles mehr. Hand aufs Herz: Kannst du noch unterscheiden, was für dich das rechte Maß im Leben ist?
„Doch Hildegard mahnt zur Einsicht und hinterfragt: Wie kann ich den Unterschied erkennen, was das falsche oder rechte Maß ist? Kann ich diese Unterscheidung sogar geistig und körperlich erspüren? Hildegard zeigt, dass der Ausgangspunkt für ein gutes Leben immer ist, mit sich selber im Einklang zu sein.“
www.hildegard-spezialist.de
Das ist oft nicht so leicht. Je achtsamer wir sind, desto eher erkennen wir zum Beispiel die Signale unseres Körpers. Es gibt so viele psychosomatische Erkrankungen, Depressionen, Angsterkrankungen oder Burnout. Das rechte Maß zu finden, erfordert von uns viel Mut und Selbstvertrauen. Es bedeutet nämlich, Nein zu sagen, sich abzugrenzen gegenüber anderen, aber auch gegenüber uns selbst, gegenüber unseren inneren Feinden (Denkmuster, Konditionierungen, Gewohnheiten).
5. Achtsame Pflege der Balance – Körper, Geist und Seele
Um das rechte Maß zu finden, musst du also schauen, wo es bei dem bereits erwähnten Dreigespann – Körper, Geist und Seele – hakt. Hildegard von Bingen-Spezialisten habt aus ihren Studien goldene Lebensregeln erstellt. Hierbei geht es unter anderem darum, auf ein ausgewogenes Verhältnis von Ruhe und Bewegung, sowie von Schlafen und Wachen zu achten. Du kennst Lebensphasen, in denen du auf die Bedürfnisse deines Körpers wenig Rücksicht nimmst, was sich jedoch meist schnell rächt. Gereiztheit und Überforderung sind häufig Zeichen für körperliche Defizite.
„Regeneration bedeutet Leben und Gesundheit. Der gesamte Organismus befindet sich ein Leben lang in einem ständigen Abbau- und Regenerationsprozess.“
www.focus.de
Ebenso will dein Geist beschäftigt sein. Nichts ist ermüdender und frustrierender, wenn es uns an Inspiration und Kreativität fehlt. Monotone Tätigkeiten machen auf Dauer krank (z.B. Boreout) – den Körper und die Seele. Für Kreativität und Inspiration benötigen wir jedoch wieder Phasen, in denen wir unsere Seele baumeln lassen können. Freie Zeit, um in eine Ausstellung zu gehen, einen Ausflug zu machen oder sich mit Freunden zu treffen. Du merkst schon, diese drei Komponenten – Körper, Geist, Seele – sind eng ineinander verflochten. Denn auch seelischer Kummer rauben unserem Körper Energie und füttern unseren Geit mit Trübsal.
6. Klarheit als Schutz vor Verirrungen
„Der Mensch ist und bleibt das vernünftige Wesen, während sich die übrige Welt nur in ihrer elementaren Natürlichkeit zu repräsentieren vermag. Mit den Flügeln seiner Vernunft ist er lebendig.“
aus: Hildegard von Bingen – „Der Mensch in Verantwortung / das Buch der Lebensverdienste“
Ein drittes Prinzip von Hildegard von Bingen ist Ratio. Oft wird Ratio mit Vernunft übersetzt, dabei geht es hier um die Gabe der Unterscheidung und damit um Klarheit. Ratio ist ein Appell, sich von Urteilen und Wertungen zu lösen. Es handelt sich bei diesem Prinzip um die achtsame Wahrnehmung unserer Gedanken. Um das achtsame Erkennen. Hildegard von Bingen hatte einen Katalog der 35 Tugenden und Laster aufgeschrieben. Hiermit hatte sie unsere Geisteskräfte beschrieben, die in uns wirken. Unsere Stärken (Tugenden) und dem gegenüber gestellt unsere Schwächen (Laster). Das ist hochinteressant. Hildegard von Bingen erkannte, dass in uns Polaritäten wirken und zum Beispiel sowohl Nächstenliebe als auch Missgunst existieren.
Es liegt an uns, uns dieser Gefühle und Gedanken bewusst zu werden und uns dann zu entscheiden, wem wir folgen wollen. In der Meditation kommt unser Geist zur Ruhe und wir sehen klar. Diese innere Klarheit ermöglicht Ratio. Erst im bewussten Erkennen, welche Geisteskräfte mal wieder ihr Unwesen in uns treiben, haben wir die Möglichkeit, uns von ihnen zu lösen und dem zu folgen, was uns guttut: Beispielsweise Liebe und Mitgefühl, anderen und uns selbst gegenüber.
Das Thema Hildegard von Bingen ist umfangreich und je mehr man von ihr liest, desto mehr Aktuelles in Bezug auf unsere Themen heute entdeckt man. Aber dafür ist noch Zeit, für heute spüre ich meiner Disrectio nach, meinem achtsamen Maß. Deswegen beende ich den Post und gönne mir Zeit des Nichtstuns, lasse meine Seele baumeln.
- Jetzt im Juni fällt es besonders leicht: Täglich gehe ich hinaus in die Natur, ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad, um meine achtsam meine „Grünkraft“ zu stärken.
- Esse ich Obst oder Gemüse, mache ich mir bewusst, dass darin alle vier Elemente (Erde, Wasser, Luft, Feuer) enthalten sind und spüre nach, wie alles miteinander verbunden ist.
Folge dem Blog – Jede Woche neue Impulse
Bleib am Ball mit der wöchentlichen "Das tut mir gut"-E-Mail:
Freitags gibt es eine E‐Mail mit den aktuellen Blog-Beiträgen der Woche. Nimm Dir die Zeit zum Lesen, um Dein Leben bewusster zu gestalten und Dich selbst entsprechend wertzuschätzen.