Wie jeder andere auch möchtest du geschätzt und geliebt werden. Doch bitte nicht um den Preis, deine eigenen Bedürfnisse dabei zu übergehen. Ein klares „Nein“ ist wichtig, um respektiert zu werden, konfliktfrei zu kommunizieren, deine Glaubwürdigkeit zu erhalten und deinen Selbstwert zu stärken. Du kannst nur dann aufrichtig „Ja“ sagen, wenn du auch mal ein bestimmtes „Nein“ von dir gibst.
Abgrenzung ist wichtig für die Stärkung deines Selbstwerts
Ich wünschte mir, mich besser abgrenzen zu können. „Kannst du mal eben…. Sei doch mal so lieb…. Das macht dir doch nichts aus, oder?…“ Du kennst diese Sätze, bei denen du eigentlich „Nein“ sagen solltet, es aber nicht tust. Ebenso Ratschläge oder Einmischungen anderer Personen, die du im Grunde nicht hören willst, dennoch lässt du sie geduldig über dich ergehen und fühlst dich am Ende oft schlechter als zuvor.
Abgrenzung hat nichts mit „Vor den Kopf stoßen“ oder Verletzen zu tun. Wer freundlich und bestimmt abgrenzt wird geachtet und geschätzt.
Besonders tückisch, wenn dabei Konditionierungen antriggert werden, die dir ohnehin immer im Weg stehen. Zum Beispiel deine Schwiegermutter, die deine wenige Zeit für deine Kinder bemängelt. Touché! Dein wunder Punkt. Seit Jahren versuchst du trotz Job immer für die Kinder da zu sein. Ohne rechtzeitige Abgrenzung bleibst du mit einem schlechten Gewissen zurück. Du weißt am besten, wo und wann du dich erfolgreicher abgrenzen möchtest. Damit das zukünftig besser funktioniert, hier ein paar wirkungsvolle Tipps:
1. Abgrenzung mithilfe dreier Atemzüge
Ups, plötzlich hast du wieder „Ja“ gesagt, wobei du doch eindeutig ein „Nein“ spürst. Das passiert meist in Situationen, in denen du dich überrumpelt fühlt. Danach ärgerst du dich. Deshalb solltest du dir immer rechtzeitig einen Freiraum einräumen: Nimm zwei oder drei Atemzüge, bevor du antwortest. Für spontane Menschen ist das nicht so leicht, doch diese Verzögerung bringt viel: In dieser Zeit fragst du dich in Gedanken:
- Will ich das überhaupt?
- Habe ich Zeit dazu?
- Setzt mich das unter Druck?
- Wie fühlt sich mein Bauch bei einem Ja an (Bauchgefühl)?
Viele Fragen für eine Bedenkzeit von nur ein paar Atemzügen. Doch je öfter du das übst, desto automatischer spürst du, ob dir die Konsequenzen deiner Antwort guttun oder nicht. Manchmal lässt sich diese Bedenkzeit geschickt durch Ausschmückung einfordern. So antwortet du beispielsweise auf die Frage, ob du bei einem Umzug helfen könntest, erst einmal abschweifend: „Ach ja, Umzug, an meinen letzten erinnere ich mich noch gut, das war ja was.“
Der Diplompsychologe Michael Tomoff behilft sich übrigens in brenzligen Situationen beim Thema Abgrenzung sehr konsequent wie folgt:
Benötigt die Person eine sofortige Antwort, ist es besser, wenn die Standardantwort zuerst Nein ist. Das können Sie später einfacher ändern als ein Ja.
Michael Tomoff
Aber auch hier unbedingt in die Achtsamkeit gehen und genau spüren, warum du dein „Nein“ nachträglich zu einem „Ja“ ändern möchtet: Deinetwegen oder um zu gefallen?
2. Bei Abgrenzung kommt es auf das Timing an
Sagt dir dein Bauchgefühl „Nein“, ist es am besten dieses „Nein“ auch sofort zu kommunizieren, bevor du innerlich in einen Konflikt gerätst.
„Übergehst du den ersten Impuls „Nein“ zu sagen, wird es immer schwieriger, weil sich dann womöglich Ärger in dir aufbaut und du nicht mehr gelassen „Nein“ sagen kannst.“
(no-right-no-wrong.com)
Stimmt, denn wenn du nicht mehr gelassen „Nein“ sagen kannst, baut sich nicht nur bei dir innerlich Ärger auf. Der Andere spürt deine Ambivalenz und fühlt sich schnell verletzt, weil er dein zögerliches „Nein“ eventuell persönlich nimmt.
Nun muss Abgrenzung nicht immer „Nein“ bedeuten. Du kannst zum Beispiel auch ein „Teil-Ja“ kommunizieren. Gerade im Job passiert dieses im Grunde immer wieder: Sachen, die erledigt werden müssen, Termine, die angefragt werden. Oder auch privat: Die Kinder, die deine Zeit benötigen oder die Tante, die einen Besuch einfordert. In solchen Fällen terminierst du: „Ja, gerne, von 15.00-16.00 Uhr.“ – „Ja, gerne, kommenden Montag.“ – „Heute Abend ab 19.00h habe ich Zeit für dich.“ Wer diese sanfte Abgrenzung nicht akzeptiert, hat auch kein ganzes „Ja“ verdient. So konsequent fällt es dir dann auch leichter, zu einem „Nein“ zu schwenken, wenn deine Antwort dem anderen nicht gefällt.
3. Kurz und auf den Punkt, so funktioniert Abgrenzung
Oh je, wie oft verhedderst du dich in langen Begründungen oder wohlmöglich in Ausreden, weil du dein „Nein“ fürchtest. Dahinter gärt Unsicherheit: „Habe ich überhaupt das Recht, mich abzugrenzen?“ „Steht mir das zu?“ „Stelle ich mich vielleicht nur an?“ Damit einhergehend machst du dich selbst klein: „Typisch, ich weiß wieder nicht, was ich will.“ „Logisch, dass ich wieder nicht in der Lage bin, mich zu positionieren.“ „Ich schäme mich für meine blöden Ausreden.“ Spürst du, was das mit dir macht? Dabei hast du unbedingt und absolut das Recht, für dich einzustehen! Das ist sogar deine Pflicht! Denn nur so sorgst du gut für dich selbst. Daher fasse dich kurz, wenn es um Abgrenzung geht. Keine ellenlangen Begründungen und schon gar keine wild konstruierten Ausreden. Je länger du dich in Ausflüchten ergibst, desto unglaubwürdiger wirst du und ganz wichtig: desto schwächer und kleiner fühlst du dich!
Folgende Sätze helfen dir vielleicht bei deiner klaren Abgrenzung:
„Ich kann verstehen, dass du Hilfe brauchst, aber die Wochenenden gehören meiner Familie.“
„Ich helfe dir sehr gerne, aber für dieses Projekt fehlt mir die Zeit / Erfahrung / Know How.“
„Ich verstehe, dass es für dich schwierig ist, aber ich bin davon überzeugt, du wirst es schaffen.“
Mit solchen Sätzen der wertschätzenden Abgrenzung signalisierst du dem anderen, dass du sein Bedürfnis siehst und anerkennst. Dadurch bekommt deine Abgrenzung eine selbstbewusste und respektvolle Resonanz.
4. Bei Abgrenzung gibt es nichts zu entschuldigen
„Wenn du aber ausdrücken willst, dass du den Wunsch / das Angebot deines Gegenüber schätzt und respektierst, dann probiere es mit „es tut mir leid“. Das impliziert keine Schuld, sondern Anteilnahme an seiner Situation.“
Du brauchst dich nicht dafür zu entschuldigen, dass du gut für dich sorgt. Das wäre ja wohl gelacht. Meide Sätze der Entschuldigung. Ein „Es tut mir leid“ zeigt Mitgefühl, das spürt auch dein Gegenüber und das reicht vollkommen! Beginnst du jedoch, dich zu entschuldigen, schwächst du deine Position und damit den Erfolg deiner Abgrenzung. Du solltest dir immer bewusst sein: Du trägst nicht die Verantwortung für den anderen, sondern für dich selbst. An dieser Tatsache gibt es nichts zu entschuldigen.
Und wie oft sagst du: „Es tut mir total leid, ich würde ja gerne, aber…“ Diese Floskel „ich würde ja gerne“ benutzt du nur, um dein schlechtes Gefühl zu besänftigen und um Verständnis zu buhlen. Für den anderen ist das die ideale Vorlage, sein Anliegen sofort erneut vorzutragen und dich mit Bitten umzustimmen. Viel hilfreicher und ehrlicher ist dagegen: „Ich möchte lieber nicht.“ Spüre mal in diesen Satz hinein, wie kraftvoll und konsequent er klingt, ohne vor den Kopf zu stoßen. Was würdest du fühlen, wenn dir jemand mit diesem Satz antwortet? Respekt, Achtung, gleiche Augenhöhe?
5. Schmeicheleien bringen die Abgrenzung schnell ins Kippen
Hand aufs Herz: Wer lässt sich nicht gerne mit Schmeicheleien um den Finger wickeln? Bei den Kindern findet man das im Grunde ganz nett – jedenfalls wenn sie noch kleiner sindJ Doch Vorsicht: Manch eine Schmeichelei umwickelt das Anliegen wie hübsches Geschenkpapier. Zum Beispiel: „Du kannst das so toll, könntest du nicht …“ „Du kennst dich da viel besser aus …“ „Bei dir geht das immer viel schneller…“ Schmiert jemand süßen Honig um deinen Mund, fällt Abgrenzung besonders schwer. Später merkst du dann, dass du deinem „eitlen“ Ego aufgesessen bist. Ein geringes Selbstwertgefühl lässt sich nur zu gerne blenden.
„Allein schon die Tatsache, dass man Sie fragt, imponiert Ihnen. Sie fühlen sich aufgewertet, wichtig, zentral…. Ein Anflug von Macht umweht Ihr Ego. Und weil Sie dieses Gefühl lieben und fürchten, dass es sich nie mehr einstellt, wenn Sie die Bitte jetzt ablehnen, sagen Sie ‚Ja‘.“
(www.karrierebibel.de)
Schmeichelhaft verpackte Bitten sind schwierig zu durchschauen. Wobei der andere dabei gewiss keine böse Absicht verfolgt. Wie oft umgarnst du selbst liebevoll deinen Partner, damit er dir einen Gefallen tut? Manchmal traut man sich auch nicht, direkt mit der Tür ins Haus zu fallen. Alles menschlich und meistens kennt man die manipulativen Tricks seiner Pappenheimer ohnehin. Behalte trotzdem immer im Hinterkopf, dass deine Abgrenzung darüber entscheidet, wie sehr du deine eigenen Bedürfnisse entfalten kannst.
6. Warum-Fragen erforschen den Kern fehlender Abgrenzung
„Du könntest viel entspannter leben, wenn du dich akzeptierst, so wie du bist und nicht wie du meinst, dass du sein sollst. Wenn du aufhörst, Angst zu haben, das Falsche oder etwas Schlechtes zu tun oder zu sagen, erst dann kannst du dich unverkrampfter zugunsten des Guten entscheiden.“
Theo Schoenaker, aus: Mut tut gut“
Wer sich liebevoll so annimmt, wie er ist, verfügt über ein starkes Selbstwertgefühl und kann sich entsprechend klar abgrenzen. Nur hapert es oft mit dem Selbstwertgefühl. Die Angst, nicht geliebt zu werden, zu enttäuschen und zurückgewiesen zu werden, hat viel mit Erfahrungen und Konditionierungen aus Kindertagen zu tun. Daher ist Achtsamkeit für die Abgrenzung so wichtig. In der Achtsamkeit hältst du inne, schaust deine Gedanken an und spürst in deinen Körper hinein, wie sich die Situation oder Entscheidung anfühlt. In diesen achtsamen Momenten erkennst du, was deine wahre Motivation ist.
Fehlende Abgrenzung basiert zum Großteil auf Ängsten
Probiere einmal die Warum-Fragen aus, bevor du das nächste Mal „Ja“ sagt. Wie bei einer Zwiebel trägst du Schicht für Schicht ab und kommst zum Kern. Zum Beispiel:
„Warum übernehme ich die Mehrarbeit im Job?“ „Weil ich meinen Chef nicht enttäuschen will.“ „Warum will ich meinen Chef nicht enttäuschen?“ „Weil ich Angst vor einer Kündigung habe.“ „Warum habe ich Angst vor einer Kündigung?“ „Weil ich kein Vertrauen in meine Leistung habe.“ „Warum habe ich kein Vertrauen in meine Leistung?“ „Weil ich immer das Gefühl habe, nicht gut genug zu sein.“
7. Für Abgrenzung bedarf es Konsequenz
Wie oft sagst du „Ja“ und revidierest dein „Ja“ später zu einem „Nein“? Anfänglich gut gemeint, sorgt deine fehlende konsequente Abgrenzung für Enttäuschung und Ärger. Der Andere ist von dir enttäuscht und du ärgerst dich über dich selbst. Langfristig wirst du dadurch außerdem unglaubwürdig. Konsequentes Abgrenzen dagegen sorgt für Respekt. Achte einmal selbst auf die Menschen, die sich klar abgrenzen. Wie machen sie das? Verurteilst du sie dafür oder achtest du sie?
Konsequentes selbstverantwortliches Handeln stärkt dein Selbstwertgefühl und lässt dich entschiedener für das eintreten, was du willst. Bist du es bisher gewohnt, dich nach anderen auszurichten, ist es anfänglich schwierig, doch schon bald wirst du spüren, wie deine Selbstsicherheit wächst. Nur Mut!
„Selbstverantwortliches Handeln ist manchmal unbequem. Du musst zu dem stehen, was du tust. Wenn du selbstverantwortlich handelst, kehrst du vor der eigenen Tür und beantwortest immer wieder die Frage: „Was kann ich jetzt tun, anstatt mich zu ärgern, mich ungerecht behandelt zu fühlen, wie gelähmt dazustehen, auf Lösungen von außen zu warten?“
Theo Schoenaker, aus: Mut tut gut“
8. Abgrenzung ist halb so wild
Und dann sind da die vielen Gedanken darüber, was der Andere über dich denken könnte, wenn du „Nein“ sagst: viel zu egoistisch, herzlos, faul, unsensibel, nicht belastbar etc. Doch im Ernst: Was denkt du denn, wenn jemand zu dir sagt: „Ich möchte lieber nicht…“ Okay, vielleicht bist du im ersten Moment ein wenig gekränkt. Doch im Endeffekt macht dieses „Nein“ keinen Unterschied in eurer Beziehung. Im Gegenteil, Abgrenzung ist wichtig in einer Beziehung. Abgrenzung stärkt unsere Identität. Und letztendlich stärkt Abgrenzung die Verbundenheit, auch wenn wir fürchten, dadurch die Verbundenheit zu gefährden. Doch in Wirklichkeit schätzen und achten wir den anderen, wenn er selbstverantwortlich für sich sorgt und zu sich selbst steht. Das ist viel attraktiver als ein konturloser Ja-Sager.
„Jeder ist dankbar für eine klare Ansage. Andere können sich darauf verlassen, dass du für dich sorgst. Das ist das Fundament einer lockeren Atmosphäre in einer Beziehung oder Gruppe.“
www.no-right-no-wrong.com
Der erste Schritt für eine erfolgreiche Abgrenzung ist also immer eine liebevolle Akzeptanz deiner selbst. Nimm dich so an, wie du bist. Und zwar auch in den Momenten, in denen es mit der Abgrenzung noch nicht so klappt. Grenze dich von deinem eigenen Urteil ab. Achtsam erkennen, daraus lernen, liebevoll akzeptieren und weiter.
Und damit genug. Jetzt praktiziere ich mal konsequente Abgrenzung und beende meinen Text. Punkt und Schluss für heuteJ.
- Ich schreibe mir eine kleine Liste mit den 8 Tipps in Stichpunkten und hänge diese an meinen Arbeitsplatz auf.
- Jedes Mal, wenn ich mich erfolgreich abgrenze, spüre ich bewusst in mich hinein, wie sich das in Bezug auf meinen Selbstwert anfühlt.
- Ich gehe auf Spurensuche: Welche Gedankenmuster hindern mich immer wieder daran, mich abzugrenzen?
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