Da scheint etwas verkehrt zu sein: Ich bin mein höchstes Kapital, so weit so gut, doch warum fallen meine Aktien dann so oft in den Keller? Da stimmt etwas mit dem Wert nicht. Mein Selbstwert ist äußerst schwankend. Er steht und fällt weniger mit dem Weltgeschehen als mit dem Familiengeschehen. Wie lässt sich mein Selbstwert aufpolieren, damit der Kurs stabil bleibt? Abgrenzung hilft.
Die wohl schwerste und wichtigste Art der Abgrenzung ist die, dich vor deinen eigenen Ansprüchen an dich selbst abzugrenzen.
Abgrenzung von fatalen Bedingungen
Kleine Kursschwankungen im Sommerloch. Trotz Sonnenliege am Meer schwanken meine Aktien und mein Eigenkapital leidet unter meinem instabilen Selbstwert. Das ewige Leid mit dem Selbstwert hat sich angeschlichen. Da kann die Sonne noch so strahlen, über mir hängt eine fiese dunkle Wolke und schattet mir den Tag. Warum hadere ich so oft mit meinem Selbstwert? Weil ich mich nicht bikinitauglich fühle, weil ich eigentlich wenig Lust auf Strand habe, aber meiner Tochter zuliebe ausharre, und weil ich möchte, dass es einer schöner Mutter-Tochter-Urlaub wird. All das setzt mich unter Druck. Viel zu viele Bedingungen, die ich mir selbst auferlegt habe, und die es schwer machen, mit mir selbst zufrieden zu sein. Schaffe ich es nicht, mich von diesen Bedingungen abzugrenzen, die ja niemand anderes als ich selbst an mich stelle, wird das ein ziemlich liebloser Urlaub mir selbst gegenüber.
Abgrenzung ist Inventur-Arbeit
„Das Entscheidende, was man über den Selbstwert wissen muss, ist seine Unbedingtheit.“
aus: „Verletzlichkeit macht stark“ Brené Brown
All diese Bedingungen, an die wir unseren Selbstwert und unsere Selbstliebe knüpfen, sind lächerlich. Um uns davon zu lösen, müssen wir sie genau betrachten und vielleicht sogar einmal schriftlich auflisten, um sie uns anschaulich vor Augen zu führen. Mache ich jetzt eine Art Inventur, um zu sehen, wo ich Abgrenzung vor mir selbst praktizieren muss, sähe das nämlich so aus: Logisch, mit Mitte Fünfzig hat sich der Körper verändert, deswegen muss man aber keinen Ganzkörperanzug tragen. Und ja, es wäre schön, wenn unser Urlaub harmonisch verläuft, doch dafür trage nicht ich allein die Verantwortung und muss mich auch nicht Hundert Prozent ausrichten. Wir sind beide alt genug, Kompromisse zu finden und auch mal etwas getrennt zu unternehmen.
Sobald du erkennst, welche deiner eigenen Ansprüche dich daran hindern, dich als die liebenswerte und einzigartige Person wertzuschätzen und zu lieben, die du nämlich bist, kannst du dich abgrenzen und Freiheit gewinnen. Doch dafür musst du sehr ehrlich mit dir selbst sein und eventuell auch schlechte Gefühle aushalten. Doch was ist schlimmer: Mit sich selbst hadern und unzufrieden zu sein oder die Gefahr eines Konflikts einzugehen, der vielleicht auch gar nicht entsteht?
Abgrenzung von Omnipotenz
Vielleicht kennst du das auch, aber ich neige dazu, mir für alles die Schuld zu geben. Eine Konditionierung, die meinem Selbstwert gar nicht guttut. Aber das liegt daran, dass ich mich für alles verantwortlich fühle. Sozusagen eine Art Omnipotenz, die mich ständig mit Mangelgedanken füttert und indirekt dazu auffordert, es besser zu machen. Denn natürlich schafft es niemand, für alles und jeden die Verantwortung zu tragen. Eine Last, von der man sich dringend abgrenzen sollte.
„Wir empfinden den Mangel, wie wir ihn leben.“
aus: „Verletzlichkeit macht stark“ Brené Brown
Über diesen Satz brüte ich schon eine ganz Weile in der Hitze unter meinem Sonnenschirm am Strand. Mein Perfektionismus hält meinen Selbstwert permanent klein. Empfinde ich ständig Mangel? Bewusst nicht, doch interessant, wie ich dennoch innerlich mit mir rede. Zum Beispiel: „Niemand sieht, was ich alles leiste.“ Oder „Ich kann machen, was ich will, ich mache es immer falsch.“ Das sind alles Mangeldenken. Würde ich das Leben so annehmen, wie es gerade ist, den Moment bewusst leben, würden sich Mangel und perfekte Ansprüche auflösen. Denn sie sind nur in meinem Geist. Indem ich mich immer wieder zurückhole und mir innerlich sage – So wie ich bin, bin ich gut – grenze ich mich von diesen Gedanken ab. Das achtsame Gewahrwerden dessen, was gerade ist, frei von Urteil und Bewertung, das ist die Basis, wo Selbstwert gedeiht.
„Perfektionismus führt vor allem dazu, dass Sie das, was andere denken, für wichtiger halten als das, was Sie selbst denken oder empfinden.“
aus: „Verletzlichkeit macht stark“ Brené Brown
Abgrenzung von Kindheitsprägungen
Der Anspruch an Perfektionismus und damit einhergehend die Orientierung an anderen, an einem Ideal im Außen sozusagen, habe ich leider mit der Muttermilch aufgenommen. Doch heute kann ich daran etwas ändern. All das muss ich mir von mir selbst nicht länger gefallen lassen. Denn im Grunde sind es Anteile anderer Personen, die ich aber nicht haben will. Und es ist wichtig, sich daran immer wieder zu erinnern. Ich und auch du, wir haben jeden Tag die Möglichkeit, die Person zu sein, die wir sein wollen.
Prüfe selbst, welche Glaubenssätze und Konditionierungen deinen Selbstwert bedingen. Mache dir bewusst, was du tust, warum du es tust, was es bewirken soll und was der Sinn dahinter ist. Indem du dein Handeln basierend auf deinen Gedanken genau hinterfragst und geradezu akribisch auseinandernimmst, erkennst du deine inneren Antreiber und woher sie kommen. Lass nicht zu, dass dein Selbstwert ein Fremdwert ist, weil nicht du entschieden hast, wie viel wert du bist, sondern andere es für dich getan haben.
Selbstwert bedeutet doch: selbst etwas wert zu sein –wertvoll zu sein, weil man die Person ist, die man ist.
- Ich versuche mir mithilfe von Achtsamkeit bewusst zu werden: Warum handle oder denke ich so und so und ist das sinnvoll?
- Damit es mit der Abgrenzung von all meinen Anforderungen an mich selbst funktioniert, sage ich mir täglich, wie ein Mantra: „So wie ich bin, bin ich gut.“
- Um meinen Selbstwert zu stärken, schreibe ich auf, wofür ich dankbar bin und was alles in meinem Leben gut läuft.
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