Gereiztheit, Kopfschmerz und Lustlosigkeit – An der Jahreszeit kann es nicht liegen, der November ist noch in weiter Ferne. Vielleicht sind diese Wehwehchen ernstzunehmende Signale, die einem etwas sagen sollten? Genau: Diese Signale wollen etwas sagen. Sie mahnen, dass es endlich an der Zeit ist, Nein zu sagen und sich abzugrenzen. Ohne Abgrenzung kommst du nämlich schnell an dein Limit.
Bis hierhin und nicht weiter: Kämpft dein Wille gegen deinen Körper, ist es höchste Zeit, dich von deinen Ansprüchen abzugrenzen.
Nichts geht mehr? Dann wird es höchste Zeit für Abgrenzung
Fast täglich war ich in der letzten Zeit bei meinem Vater, er kommt allein längst nicht mehr klar, und logisch, dass ich ihm helfe. Das bedeutet viel Autofahrerei und viel Geduld, denn natürlich sind alte Menschen in vielen Dingen nicht mehr so schnell. Außerdem tut es mir sehr weh, ihn so zu erleben. Doch ich schaffe es nicht, ihm ein Nein zu geben. Das ist aber notwendig, denn ich merke bereits, wie ich bei Kleinigkeiten explodiere, zu nichts mehr wirklich Lust habe und mich erschöpft fühle.
„Wenn ich auf meine Körperreaktionen achte und spüre, wie weit ich gehen kann und wann ich mich übernehme, ist das eine Stärke und keine Schwäche. Dann bin ich relativ gut vor Burnout geschützt.“
Christoph Middendorf, Facharzt für psychotherapeutische Medizin
Sobald der Körper Signale sendet, ist es also wichtig, zu schauen, woran das liegt. Und es ist keine Schwäche, sich sein Limit einzugestehen. Im Gegenteil, denn es erfordert Stärke, sich abzugrenzen für das eigene Wohlbefinden.
Christopf Middendorf, ärztlicher Geschäftsführer der Oberbergkliniken, spezialisiert auf Burnout-Behandlungen, sieht Burnout sogar als eine Kompetenz. Die damit verbundenen Symptome interpretiert er als „Leibwächter“ und „Sinn-Wecker“, die mahnen, dass unser Organismus überlastet ist. Dieses zu erkennen und zu würdigen, sei eine Kompetenz. Damit sind das Erkennen und das Anerkennen wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Abgrenzung. Mir hilft das sehr und ich bin sicher, du kennst das auch: Gerätst du an deine Grenzen und „funktioniert“ nicht mehr so, wie gewollt, lastest zusätzlich noch innerer Druck auf dir, da du dich als Versager und wenig belastbar selbst verurteilt. Ich habe mir seit Tagen eingeredet, dass es mir doch im Vergleich zu meinem Vater super ginge, was habe ich schon auszuhalten. Doch es geht nicht um den Vergleich. Es geht darum, gut für sich selbst zu sorgen, anders lässt sich auch nicht für andere gut sorgen. Und das geht nur durch Abgrenzung.
Abgrenzung des Körpers gegen den Willen
„Wir müssen diese Dinge nutzbar machen, weil sie unwillkürlich sind. Und unwillkürliche Prozesse kann man nicht verschwinden lassen. Unwillkürliche Prozesse sind nicht löschbar.“
Christoph Middendorf
Christoph Middendorf betont in einem Vortrag auf Youtube, dass diese unwillkürlichen Signale unserer erschöpften Psyche wie auch alles andere in unserem Gehirn nicht einfach auszuradieren oder zu ignorieren seien. Alles bleibt da, unlöschbar. Jedoch könne man „umbauen durch entsprechende Aufmerksamkeitsfokussierung“. Für ihn sei ein Burnout eine „nicht verhandelbare Stellungnahme des Körpers“. Intuitives Wissen aus tieferen Gehirnregionen setzte sich hier sehr wirksam gegen den bewussten Willen durch. Und die Konsequenz sei eine natürliche Abgrenzung, denn jetzt geht nichts mehr, alle Schotten dicht! Der Körper grenzt sich also gegen den Willen ab.
„Ich praktiziere Metazufriedenheit, das heißt, ich bin ganz zufrieden damit, dass ich nicht ganz zufrieden bin.“
Christoph Middendorf
Die äußeren Anforderungen sind sicherlich das eine, doch was wesentlich zur Erschöpfung führt, ist der innere Kampf. Innerlich reiben wir uns an unseren eigenen Ansprüchen auf. Auch ich muss hier also Grenzen setzen. Schaue einmal bei dir: Welche überhöhten Anforderungen stellst du an dich? Da wir oft das Gefühl für das rechte Maß verloren haben, hilft es, wenn du dich fragst, was du denn einer guten Freundin in deiner Situation raten würdest. Bei diesem Perspektivenwechsel erkennst du schnell, wie unglaublich hoch deine Messlatte hängt und wie sehr du es gewohnt bist, dich und andere mit unterschiedlichem Maß zu betrachten.
Abgrenzung ohne schlechtes Gewissen
„Mein Kriterium für relative Zufriedenheit ist nicht Erfolg, sondern die Frage, ob das, was ich tue, sinnvoll ist.“
Christoph Middendorf
Auf meinem Schreibtisch liegt nun seit gestern ein Kuvert mit einem Gutschein für eine Massage. Lieb gemeint von meinem Mann, aber wie soll ich das denn nun auch noch schaffen? Dieser nette Wink zur Entspannung setzt mich zusätzlich unter Druck. Und das finde ich jetzt ziemlich dramatisch. Höchste Zeit, dass ich mich innerlich von meinen Leistungsmotoren distanziere. Denn sie erlauben mir nicht, gut für mich zu sorgen. Sie reden mir ein schlechtes Gewissen ein. Wie kann ich eine Massage genießen, wenn ich diese Zeit viel sinnvoller nutzen könnte? Bereits dieser Ansatz ist komplett falsch.
Alles, was dir guttut, ist sinnvoll.
Denn sorgst du gut für dich, kannst du auch für andere gut sorgen.
Natürlich weiß man das alles. Warum ist es dann trotzdem so schwer? Weil wir das mit auf den Weg bekommen haben: Sich selbst zurücknehmen, immer zuerst an die anderen denken, denn wer egoistisch ist, der ist nicht liebenswert. Nur gereizt und ausgepowert bin ich für die anderen auch keine Freude und schon gar keine Hilfe.
Abgrenzung vor sich selbst, vor den verinnerlichten Glaubenssätzen und den Konditionierungen, das ist die Basisarbeit, um sich dann im zweiten Schritt erfolgreich im Außen abzugrenzen. Dann ist das Nein auch nicht von einem schlechten Gewissen vernebelt. Es ist ein klares Ja zu dir selbst und ein klares Ja auch zu dem anderen: Sieh her, ich muss mich erst um mein Wohlergehen kümmern, danach bin ich mit ganzer Kraft bei dir. Denn du bist es mir wert, meine ganze Aufmerksamkeit zu bekommen.
Ich werde mich jetzt also trauen. Traue du dich auch und spüre dabei achtsam in dich hinein. Dabei wirst du Ängsten begegnen, aber auch der Freude, für dich selbst einzutreten.
- Sobald ich mich erschöpft und überfordert fühle, bin ich dankbar für diese offensichtlichen Signale. Ich nehme sie ernst und betrachte sie achtsam, statt zu verdrängen.
- Kommen Schuldgefühle auf, wenn ich mich gegen meine inneren Antreiber entscheide, visualisiere ich mir eine Grenze, die ich bewusst ziehe. Ich übernehme die Verantwortung für mein Wohlergehen – ein gutes Gefühl.
- Täglich bestärke ich mich auf meinem Weg der Abgrenzung, indem ich mir das Bild mit der Sauerstoffmaske im Flugzeug vor Augen halte: Zuerst sich selbst überziehen, bevor man den Mitreisenden hilft.
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