Würdest du meine Gartenbepflanzung sehen, wüsstet du sofort, was ich mit der Schönheit des Unperfekten meine. Doch Spaß beiseite, es geht um Konditionierungen, insbesondere die Konditionierung, alles perfekt machen zu müssen. Schaffen wir es nicht, uns hiervon zu lösen und vor diesem komplett überflüssigen Anspruch abzugrenzen, vermiesen wir uns viel zu oft unser Erleben.
Konditionierungen, wie zum Beispiel Perfektionismus, engen das Leben ein und rauben dir viel Freude.
Abgrenzung vom inneren Antreiber
Meine Mutter hatte jedes Jahr einen Frühjahrsputz gemacht. Da wurden alle Schränke innen und außen gewischt und die Teppiche auf dem Hof ausgeklopft. Und alles musste noch vor Ostern passieren, damit es glänzte, wenn die Verwandtschaft kam. Deswegen durften wir Kinder nur am Abend ins Wohnzimmer, in die „gute Stube“, um ja nichts voll zu krümeln oder gar die gekämmten Fransen der Teppiche zu verwuseln. Und ich? Ich bin ähnlich. Das ist meine Konditionierung: perfekte Ordnung und Sauberkeit. Ohne Abgrenzung von diesem Anspruch an Perfektion würde ich jetzt putzen und hätte gar keine Zeit, zu schreiben. Doch ich kenne meinen inneren Antreiber und grenze mich von ihm ab. Damit geht es mir jedoch nicht besser, denn das Unperfekte auszuhalten, ist nicht leicht. Mit jedem Blick sehe ich in unserem Zuhause Staub, Fussel und Schlieren.
Man braucht eine Weile, um festzustellen, dass die Nonperfektion die eigentliche Perfektion ist.
Vielleicht reicht ja auch halbperfekt. Wenn du beispielsweise ähnlich unter perfekten Ansprüchen leidest wie ich, versuche in kleinen Schritten etwas zu ändern. Eine Konditionierung sitzt dermaßen fest und tief in einem verankert, die lässt sich nicht mal eben ablegen. Abgrenzung von deinen inneren Ansprüchen bedeutet also im ersten Schritt, die dazugehörigen Konditionierungen zu erkennen, um sie dann im zweiten Schritt zu lockern.
Abgrenzung von der Bedürftigkeit hinter der Konditionierung
Betrachte ich meinen Perfektionismus genauer, erkenne ich dahinter das Bedürfnis, Anerkennung zu bekommen und wertgeschätzt zu werden. Ich schaue beispielsweise nie bei jemand anderem zuhause in die Schränke, ob die alle sauber sind. Und liegen dort Sachen herum und Krümel auf dem Tisch, mag ich ihn deswegen nicht mehr oder weniger. In der Achtsamkeit erkenne ich, warum meine Konditionierung so gut greift. Es geht also im Grunde auch um Abgrenzung von dieser schrecklichen Bedürftigkeit, ohne den Zuspruch im Außen nichts wert zu sein. Damit einhergehend auch Abgrenzung von dem Gefühl, ein Faulenzer zu sein, wenn man sich dem Perfektionismus widersetzt und beispielsweise einfach die Füße hochlegt, und nichts tut. Abgrenzung von den vielen Gedanken, die nicht erlauben, die Dinge laufen zu lassen und sich einfach mal so zuzumuten, wie man ist, ohne etwas zu leisten.
Abgrenzung von der Suche nach Liebe
Der Glaubenssatz, erst durch Perfektionismus liebenswert zu sein, ist fatal. Oder anders gesagt: Perfektionismus hält unsere Ängste in Schach, unsere Scham und nährt unseren Glauben, dass eine Art Vollkommenheit uns weniger angreifbar machen würde. Das hört sich schon beim Lesen anstrengend an. Doch wer blind mit dem Schutzschild der Perfektion durchs Leben läuft, der macht die Welt klein und verirrt sich trotzdem immer wieder. Denn dass ein Korsett aus Konditionierungen uns vor Zurückweisung, Schmerz und Enttäuschung schützt, das ist ein Irrglaube. Liebe kennt keine Bedingungen. Nach außen leicht gesagt, doch es innerlich zu fühlen, das hat viel mit Achtsamkeit zu tun. Mit Nachsicht sich selbst gegenüber und eben mit der Abgrenzung von den vielen Glaubenssätzen und Konditionierungen, die mit Liebe nichts zu tun haben.
„Im Perfektionismus sehen wir die Lösung, Anerkennung zu bekommen bzw. Ablehnung und Tadel zu vermeiden. Wir hoffen, durch Perfektionismus unangreifbar zu sein.“
www.psychotipps.com
Abgrenzung von illusorischen Erwartungen
Niemand stellt so hohe Ansprüche an mich, wie ich selbst. Vielleicht ergeht es dir ähnlich. Im inneren Dialog bauen wir Mutmaßungen auf, was andere von uns denken und was sie von uns erwarten. Und wie wäre es, wenn du und ich, wenn wir mutig diese Last abstreifen und uns ehrlich fragen würden: Ginge es nur nach mir, was würde ich dann machen?
Die US-Wissenschaftlerin Brené Brown schreibt in ihrem Buch “Die Gaben der Unvollkommenheit“:
„Uns selbst zu lieben und zu akzeptieren ist ein ultimativer Akt des Mutes. In einer Gesellschaft, die sagt „pass dich an“ sind Selbstliebe und Selbstakzeptanz nahezu revolutionär.“
Im Grunde haben wir ja von klein auf an die Konditionierungen als eine Art Orientierung und Schutz mit auf den Weg bekommen. Doch irgendwann stellt man eben fest, dass beispielsweise besagter Perfektionismus statt Schutz vor allem Frust bringt. Etwas Neues wagen, sich selbst entdecken, immer wieder ins Leben eintauchen – mit Perfektionismus ketten wir uns selbst fest.
Also versuche ich diese Ketten zu lösen, grenze mich von dem Anspruch perfekt geputzter Räume und Schränke ab, und spüre in mich hinein, wie sich das anfühlt. Noch nicht so gut, also wische und fege ich hier dort ein wenig, aber eben nicht alles. Abgrenzung auf die sanfte Tour, damit ich nicht scheitere.
- Bevor ich in blindem Eifer loslege, halte ich inne und frage mich: Will ich das jetzt wirklich?
- In einer ruhigen Minute schreibe ich mir eine Liste mit all meinen Konditionierungen auf, von denen ich mich abgrenzen möchte.
- Statt mich für meinen Perfektionismus zu verurteilen, nehme ich ihn lächelnd an, denn dahinter versteckt sich ein sehr verletzlicher Teil von mir.
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