Wer keine Emotionen zeigt, erstarrt – innerlich und äußerlich. Schrecklich, diese aalglatten Typen, an denen alles abzuprallen scheint. Ist doch wunderbar, bei einer Liebesschnulze eine Packung Tempos zu zerknüllen und den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Wer Ärger und Wut hinunterwürgt, der implodiert irgendwann. Mit einer Explosion ist jedoch auch niemanden geholfen.
Um Stress abzubauen, musst du negative Emotionen loslassen, denn sie stressen weit mehr als äußere Anforderungen.
Stress abbauen durch Zulassen negativer Gefühle
Wir wohnen recht ländlich neben einem alternativen Ponyhof. Alles idyllisch und nett, nur haben die von nebenan seit ein paar Wochen ihren Misthaufen umplatziert. Direkt an den Gartenzaun, wo auf unserer Seite unser Wasserbrunnen ist. Seitdem stinkt unser Trinkwasser und natürlich weht der Mistgeruch täglich in unseren Garten. Eine nette Bitte unsererseits, ob man den Misthaufen nicht ans Ende des Grundstücks verlegen könne, da sei mehr als genug Platz, da störe er auch niemanden. Die Antwort: Wir sollten uns nicht so anstellen. Nein und basta.Seitdem gärt der Ärger in mir. Jedes Mal, wenn ich bei den Nachbarn vorbeigehe, flammt Wut in mir auf und ich erwische mich, wie ich täglich über diese leidige Misthaufengeschichte nachdenke und sogar Rachephantasien in meinem Kopf herumschwirren. Das stresst mich. Ich will diese Gefühle nicht haben. Es wird sich eine Lösung finden und weg damit.Stress abbauen beginnt im Kopf, raus mit diesen Gedanken, die nichts bewirken, außer, dass sie schlechte Laune und Aggressivität verbreiten.
„Sei nicht wütend über deinen Ärger, deine Wut. Versuche nicht, sie zu vertreiben oder zu unterdrücken. Stelle einfach fest, dass sie aufgekommen sind und nimm dich ihrer an.“
aus: „Nimm das Leben ganz in deine Arme“, Thich Nhat Hanh
Ich weiß nicht, wie du mit Ärger umgehst, aber aller Achtsamkeit zum Trotz könnte ich explodieren. Nur hilft mir das wenig, denn die Situation ist, wie sie ist, da ändert auch ein Wutausbruch nichts dran. Immerhin war ich in dem erfolglosen Nachbarschaftsgespräch achtsam genug, ruhig zu bleiben. Und ich kann achtsam wahrnehmen, dass meine Wut im Grunde ein Gefühl der Machtlosigkeit ist. Der Mönch Thich Nhat Hanh vergleicht den achtsamen Umgang mit Ärger mit einer Mutter, die ihr Baby schreien hört: Sofort eilt sie zu dem Kind, nimmt es hoch und hätschelt es. Sie weiß nicht unbedingt, was dem Säugling fehlt, doch sie wiegt ihn und versucht herauszufinden, welches Unbehagen das Schreien verursacht.
„Betrachte deinen Ärger genauso aufmerksam, wie du es mit deinem Kind tun würdest. Lehne ihn nicht ab, hasse ihn nicht, als sei er dein Feind.“
Thich Nhat Hanh
Stress abbauen durch bewusstes Atmen
Gefühle wie Ärger oder Wut sind da und man kann sie weder wegwedeln noch unterdrücken. Sie stressen, färben sämtliches Erleben in unschöne Farben. Also muss man sich darum kümmern. Genauso achtsam wie wir etwas trinken oder essen, genauso gegenwärtig müssen wir auch diese Gefühle betrachten und annehmen. Thich Nhat Hanh rät in solchen Situationen, bewusst zu atmen. Durch das bewusste Atmen baust du Stress ab und findest wieder zu der Gelassenheit in deiner Mitte zurück. Alleine durch ein, zwei achtsame Atemzüge, immer dann, wenn dein Stressbarometer steigt, gewinnst du Abstand zu deinen Emotionen, die sich nun schleichend wie die Wellen bei Ebbe zurückziehen.
„Ich atme ein und bin mir meines Ärgers bewusst. Ich atme aus und weiß, dass ich mich meines Ärgers annehme.“
Thich Nhat Hanh
Dieses Mantra unterstützt bei deiner Atmung den Lösungsprozess. Zuerst steigt dabei die Energie der Emotion auf. Erst danach breitet sich in dir die Energie der Achtsamkeit aus. Diese umarmt nun die Energie des Ärgers oder der Wut und besänftigt sie, so dass sie sich auflösen kann. In diesem Zustand hast du auch die Möglichkeit, deine Emotion tiefgehender zu betrachten. So erkennst du die „wahren“ Gefühle, die deiner Emotion untergelagert sind.
„Wir erzeugen nicht Achtsamkeit, um mit ihr unseren Ärger zu verjagen oder zu bekämpfen, sondern um uns seiner auf gute Weise anzunehmen.“
Thich Nhat Hanh
Stress abbauen durch Verschiebung des Fokus
Immerhin, so hat der Nachbarschaftszwist etwas Gutes: Mal wieder eine Lektion in Sachen Achtsamkeit gelernt. Und ich verstehe jetzt, dass unter meiner Wut und meinem Ärger Gefühle von Macht- und Hilflosigkeit brodeln.Der buddhistische Mönch Matthieu Ricard empfiehlt, nachdem du den wahren Grund deiner Emotion erkannt hast, deine Aufmerksamkeit auf die Emotion selbst zu richten und nicht auf den Auslöser. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig. Die Emotion sozusagen als ein getrenntes Phänomen betrachten. Indem ich mich jetzt ausschließlich auf meinen Ärger fokussiere und ihn von dem Auslöser, meiner Machtlosigkeit, abtrenne, hat er keine „Wurzeln“ mehr beziehungsweise es gibt keinen Grund mehr für den Ärger. Er schwebt sozusagen haltlos im Raum und löst sich auf.In einem Interview antwortete Matthieu Ricard mit folgendem Satz auf die Frage, wie er mit geistigen Störenfrieden, wie zum Beispiel Wut, umgehen würde:
„Wenn wir Wut und Ärger mit dem Blick der Achtsamkeit betrachten, werden sie wie ein Feuer verglimmen, in das wir kein Holz mehr legen.“
Matthieu Ricard
Ein eindringliches Bild, um zu erklären, wie Achtsamkeit hilft, emotionalen Stress abzubauen. Und der Mönch hat noch ein weiteres schönes Beispiel: Ihn faszinieren die Adler im Himalaja, die oft von viel kleineren Krähen angegriffen werden. Die offenbar sich selbst komplett überschätzenden Krähen stürzen sich geradezu in einem Kamikaze-Manöver auf die riesigen Greifvögel. Diese jedoch lassen sich von dem Zirkus überhaupt nicht beeindrucken und fliegen seelenruhig weiter. Erst im letzten Moment der Attacke legen sie ihre Flügel an, lassen den Ansturm der Krähen vorbeiziehen und breiten ihre Schwingen wieder aus. Nach dem Motto: War da was?So einfach geht das also.
Stress abbauen mit einem Lächeln
„Bewusstes Atmen besänftigt und beruhigt den Ärger, und Achtsamkeit durchdringt ihn.“
Thich Nhat Hanh
Indem ich mich jetzt mit diesem Thema beschäftigt habe, erkenne ich achtsam den Ärger, der sich in mir ausbreitet, um sofort bewusst zu atmen und mich mehr und mehr von ihm zu distanzieren. Thich Nhat Hanh meint, das sei wie das Aufdrehen eines Heizkörpers: Etwa eine Viertel Stunde braucht es zum Erwärmen, bis sich die wärmende Luft ausgebreitet hat und im Raum eine Verwandlung geschieht. Na gut, eine viertel Stunde atme ich nicht, doch ich bin überzeugt, alleine durch das achtsame Erkennen und entsprechend bewusste Handeln und Fokussieren, beginnt eine Veränderung.Übrigens sagt Thich Nhat Hanh auch, dass Wut der Schönheit so gar nicht gut bekäme. Ein Lächeln dagegen würde die Hunderte von kleinen Gesichtsmuskeln entspannen und uns viel attraktiver machen. Also schicke ich meinem achtsamen Atmen noch ein Lächeln hinterher und spüre aufmerksam, wie gut sich das anfühlt. Als Frau überzeugt mich dieses Lächeln-Argument ohnehin sofort. Lachfalten sind mir allemal lieber als Zornesfalten. Das ist ein Misthaufen nicht wert.
- Spüre ich Ärger aufkeimen, nehme ich mir bewusst Zeit für mindestens zwei achtsame Atemzüge.
- Um den Abbau von Stress noch zu intensivieren, mache ich mir beim Einatmen bewusst, wie ich den Ärger wahrnehme und ihn beim Ausatmen loslasse.
- Ich versuche, meinen Fokus nur auf meinen Ärger zu lenken, ohne den Auslöser zu betrachten. Dann spüre ich hinein, wie sich der Ärger (jetzt ohne Grund) anfühlt..
Folge dem Blog – Jede Woche neue Impulse
Bleib am Ball mit der wöchentlichen "Das tut mir gut"-E-Mail:
Freitags gibt es eine E‐Mail mit den aktuellen Blog-Beiträgen der Woche. Nimm Dir die Zeit zum Lesen, um Dein Leben bewusster zu gestalten und Dich selbst entsprechend wertzuschätzen.