Das Jahr neigt sich dem Ende zu und statt wohlwollend abzurunden und zu einem guten Ende zu kommen, geht es in Hildegard von Bingens Dezembertext hoch her. Ausgerechnet den Zorn hat sie sich vorgenommen, jene emotionale Regung, die zweit und nicht eint. Richtig so, denn angesichts des Festes der Liebe sollten wir sämtlichen Groll loslassen. Gegenüber anderen und gegenüber uns selbst.
Zum Fest der Liebe verweist Hildegard von Bingen in ihrem Monatstext auf den Zorn, denn brodelt dieser unterschwellig in dir, verschließt sich dir alles Schöne, das dich umgibt.
In den Gärten und auf den Balkonen funkeln Lichterketten und am Sonntag zünden wir schon die dritte Adventskerze an. Ich liebe es, abends durch die Straßen zu bummeln und in die beleuchteten Fenster der Häuser zu schauen, um zu gucken, wie die Menschen dort ihre Räume weihnachtlich geschmückt haben. Was für eine gemütliche Zeit. Wären da nicht die vielen Verpflichtungen, die noch bis Ende des Jahres erledigt sein müssen und mit jedem geöffneten Kalendertürchen wird mir mulmiger. Jetzt aber Gas geben, so viel Zeit bleibt nicht mehr. Und schon spüre ich Gereiztheit und Wut in mir aufsteigen, weil ich wieder viel zu spät dran bin. Wieso schaffe ich es nie, meine Zeit besser zu planen? Doch mit mir selbst zu zürnen, macht es nicht besser.
Für Hildegard von Bingen ist der Zorn das schlimmste Laster
„Der Zorn ist nämlich das schlimmste Laster, und es ist so etwas wie des Teufels Herz.“
Liber divinorum operum – Buch der göttlichen Werke
Recht hat Hildegard von Bingen. Wut und Zorn bringen uns nicht weiter. Weder der Groll gegen uns selbst noch die schlechten Gedanken, die wir plötzlich gegenüber anderen Menschen hegen, weil wir uns durch diese gehetzt fühlen oder ihnen ihre Ruhe und Gelassenheit neiden. Und schon explodiere ich, nur weil meine Tochter, statt Hausaufgaben zu machen, Weihnachtskekse backt, die frisch geputzte Küche unter einem Mehlnebel verschwindet und mal wieder niemand daran denkt, dass der Hund auch noch bewegt werden muss.
„Durch diese unvernünftigen Zornausbrüche schneidet er sich selbst mit Herz und Mund von jeder Glückseligkeit ab, indem er seinen Bruder beneidet. Soweit es ihm möglich ist, verstreut er in Gedanken und im Reden alles, was an ihm gut ist.“
Liber divinorum operum – Buch der göttlichen Werke
Laut Hildegard von Bingen siegt die Geduld über den Zorn
Und wäre es wirklich so schlimm, wenn wir nicht immer alles schaffen, was wir uns vorgenommen haben? Wenn die Weihnachtspost erst im neuen Jahr ankommt, die Geschenke mal nicht selbst eingepackt werden und das Weihnachtsgebäck aus dem Supermarkt kommt? Wenn jemand anderes etwas nicht schafft, wie reagierst du dann? Bist du nachsichtig, hast du Verständnis oder bombardierst du die Person mit Vorwürfen? Eben, meistens ist alles halb so wild. Und welche Freude, wenn der Weihnachtsgruß im Januar überrascht, statt im Festtagstrubel als einer unter vielen unterzugehen.
Vielleicht hilft es besonders jetzt im Weihnachtsstress, sich selbst mit Geduld zu beschenken und sich selbst öfter mit den Augen eines nachsichtigen Freundes zu betrachten. Es wäre schön, wenn hinter meinen Kalendertürchen kleine Zettel stecken würden, die diese Haltung mit entsprechenden Sätzen bestärkten. Zum Beispiel mit dem Satz: „Dat is doch schietegal.“ Den sagte meine Großmutter oft zu mir und wenn ich daran denke, muss ich lächeln und schon entzerrt sich alles ein wenig.
Hildegard von Bingen rät uns, das Schöne nicht zu „zertreten“
„Auch der zwölfte Monat behält Kälte mit großer Wucht …, macht sie verdrießlich und beschwerlich. In diesen Eigenschaften sehen wir einen Hinweis auf die Füße, die so vieles zertreten und verstreuen und die Erde eindämmen. Sie beherrschen die Erde, damit sich diese nicht in die Höhe heben kann, sondern dass die Füße über ihr stehen.“
Das achtlose Trampeln und Rennen und Hetzen – Damit zerstören wir so vieles, weil wir die Kleinigkeiten in ihrer Einzigartigkeit und Schönheit nicht mehr sehen. Früher haben wir als Kinder immer die beleuchteten Tannenbäume gezählt, wenn wir im Auto unserer Eltern aus der Stadt wieder zurück nachhause gefahren sind. Ich liebe Weihnachtsbeleuchtung, erfreue mich an den Sternen, dem Glitzer und an den bunten Kugeln. Genauso mag ich den Duft von Glühwein und Lebkuchen. Das Schöne darf bei allen Verpflichtungen und Anforderungen nicht untergehen. Und letztendlich haben wir es selbst es in der Hand, den Moment bewusst wahrzunehmen, zu verweilen und das Schöne in uns aufzunehmen.
Solltet du also am Wochenende einen Weihnachtsmarktbummel starten, ärgere dich nicht über das Gedrängel und den Kommerz. Du entscheidest, auf was du deinen Fokus richtet. Du bestimmst die Richtung, in die der Lichtstrahl deine Achtsamkeit weist.
- Geduld, Geduld, Geduld! Bewusst verrichte ich die täglichen Dinge einen Takt langsamer. Mal sehen, ob ich es durchhalte.
- „Schietegal“ – Ich mag dieses Wort und werde es mir wie ein Mantra immer dann aufsagen, wenn die Stressfalle am Zuschnappen ist.
- Der Weihnachtskommerz wird nicht weniger, daran kann ich nichts ändern. Also werde ich davon bewusst die Seiten genießen, die mir Freude bereiten. Allem anderen schenke ich keine Beachtung.
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