Was kann ich von meinem Efeu lernen? Eigensinn. Efeu macht, was er will. Er rankt sich seinen Weg. Ich kann ihn noch so sehr eingrenzen. Er grenzt sich von meinem Willen ab und schlängelt sich eigensinnig entlang der Balustrade. Gut so: Mut zu Ungehorsam und zu der Freiheit, so zu sein, wie man will. Sich ausklinken und abgrenzen, um sich nicht in den Vorstellungen anderer selbst zu verlieren. Abgrenzung im Außen für Entfaltung im Innen.
Abgrenzung bedarf einer Portion Eigensinn und ein wenig Mut.
Jedem das Seine
Als 2013 der Roman „Vogelweide“ von Uwe Timm erschien, erfreute ich mich nächtelang an dem kauzigen Protagonisten Eschenbach. Dieser lebt zurückgezogen auf einer Elbinsel und beobachtet als Vogelwart täglich jede Menge Vögel. Herrlich, dachte ich, der hat sich von sämtlichen Moden und sozialen Anforderungen abgesetzt. Und bei uns auf dem Lande wohnt ein Mann in einem Haus mitten im Wald. Er ist schon etwas eigenbrötlerisch, aber es sieht so aus, als sei er mit seinem Leben zufrieden. Die wenigen grauen Locken hat er zu einem Zopf gebunden und zu seiner abgewetzten Cordhose trägt er immer irgendwelche verfilzten Pullover oder gestopften Arbeitshemden. Trifft man ihn, pfeift er vor sich hin und winkt lächelnd.
Geht es nicht genau darum: Mit sich selbst im Reinen zu sein, sich innerlich von dem permanenten Vergleich im Außen abzugrenzen und jedem seine spezielle Art und Weise zu leben wertfrei zu gönnen.
Abgrenzung vom Selbstbild
Abgrenzung bedeutet eben nicht nur, dass du anderen Menschen Grenzen setzt und statt leise „Ja“ ein lautes „Nein“ sagt. Abgrenzung kann komplett still und leise stattfinden, indem du das lebst, was du möchtest, ohne den Blick nach rechts und links zu wenden. Indem du zu dir stehst, wie du bist.
Indem wir mit Eigensinn leben, sorgen wir für unsere körperliche Gesundheit und stärken unser psychisches Rückgrat. Unser Selbstbewusstsein wächst – und damit auch unsere innere Unabhängigkeit.
Sobald du das wertschätzt, was du machst, woran du Spaß hast, gibst du deinem Tun einen Sinn. Du schaust nicht länger, ob andere das vielleicht langweilig finden. Das ist dir komplett egal, denn es geht um DEIN Erleben. Dieses urteilsfreie Erleben stärkt dein Ich-Gefühl und dein Selbstbewusstsein. Beispielsweise liebe ich es, zur Entspannung Kreuzworträtsel zu lösen. Mir ist das peinlich und sobald jemand zu Besuch kommt, verstecke ich die Rätselhefte. Warum eigentlich? Weil es nicht in das Bild passt, das ich nach außen transportieren möchte. Es geht also um Abgrenzung vor Selbstbildern, die nicht stimmig sind.
Eigensinn befreit
Indem wir nicht mehr länger etwas tun, nur weil es andere tun, zeigen wir unsere Individualität.
Und neulich entdeckte ich beim Hundespaziergang eine Frau in Jogginghose, Strickjacke und einem Stirnband, die mit Blick über den See am Rande des Weges stand und seelenruhig Thai Chi-Übungen praktizierte. Sie war komplett versunken in ihre Übungen und schien mich gar nicht wahrzunehmen. Ich würde mich das nicht trauen, käme mir dabei albern vor. Doch in Wirklichkeit war die Frau cool, denn sie scherte sich nicht darum, was Spaziergänger wohlmöglich über sie sagten. Und ich bin mir sicher, der eine oder andere hatte diese Frau wie ich ein wenig belächelt. Dabei machte sie es richtig. Abgrenzung vor der vermeintlichen Meinung der anderen zugunsten des eigenen Wohlbefindens.
Zur Abgrenzung gehört ein wenig Mut
Wer seinen Eigensinn pflegt und sich damit erfolgreich abgrenzt, der ist mutig. Mutig sich selbst gegenüber, denn es gehört Mut dazu, dem inneren Drang zu widerstehen, gefallen zu wollen. In erster Linie solltest du dir nämlich immer selbst gefallen. Grenze dich von dem Denken ab, so oder so sein zu müssen. Du musst nur so sein, wie du möchtest.
Mir hilft es immer, Menschen zu beobachten, ihre Unterschiedlichkeit und ihre Art und Weise, zu sein. Jeder Mensch hat seine besonderen Eigenarten und genau das macht uns alle individuell und jede Begegnung spannend. Erlaube dir Eigensinn, grenze dich von deinen eigenen Urteilen über dich ab und trage zu der Vielfalt bei, die das Miteinander bunt und interessant macht.
Und jetzt gönne ich mir ein Kreuzworträtsel – mit Spaß und Freude.
- Von Gedanken, wie zum Beispiel „Was denken wohl die anderen?“, grenze ich mich ab, indem ich sie im Geiste mit dickem Rotstrich streiche.
- Bei allem, was ich tue, spüre ich achtsam in mich hinein, welche Motivation mich antreibt: Will ich anderen gefallen oder tue ich das, weil ICH das möchte?
- Ich beobachte Menschen, ihre unterschiedliche Art und Weise, zu sein. Das stärkt meine Individualität.
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