Genau genommen können wir nicht einmal den Moment festhalten. Kaum ist er da, ist er bereits vergangen. Dennoch können wir ihn achtsam in uns aufnehmen. Wir können den Moment bewusst erfahren, mit allen Sinnen, um ihn in unserem Herzen lebendig zu halten. Das ist die einzige Art und Weise, wie wir etwas festhalten können. Alles andere müssen wir loslassen. Nur unsere Herzen bewahren.
Im achtsamen Wahrnehmen erlaubst du dir selbst, stressige Gedanken loszulassen und mehr Freude in deinen Alltag einzuladen.
Stress abbauen mit Gefühl
Wie oft sagte mein Vater zu mir, wenn ich mit ihm zum Friedhof oder zum Einkaufen gefahren war und wir auf dem Rückweg im Auto vor seiner Haustür standen: „Mit Dir bringt das immer viel Spaß.“ Natürlich freute mich das jedes Mal, denn so oft war ich innerlich gestresst, weil mir diese Unternehmungen zeitlich gar nicht in den Alltag passten. Dieser eine Satz jedoch änderte alles.
Heute, nachdem mein Vater gestorben ist, denke ich oft an diesen Satz. Und sofort spüre ich ein Lächeln in mir, wie mein Herz weich wird und ich für diesen Moment der Erinnerung alles um mich herum loslasse.
Je bewusster wir schöne Momente wahrnehmen und sie auch mit dem Herzen aufnehmen, desto nachhaltiger sind sie. Ob in der Erinnerung oder in dem Augenblick des bewussten Erlebens – Diese Momente verändern viel. Sie halten sozusagen für ihre Dauer die Zeit an und lassen ein kleines Glück aufblinken. Oft reicht das schon, um das tägliche Stress-Gefühl zu durchbrechen und die Dinge gelassener und entspannter zu nehmen.
Wer existenziell um diese Augenblicklichkeit weiß, der weiß, dass er loslassen muss, dass er aber auch das augenblickliche Glück bewusst wahrnehmen kann. Wir können den schönen Augenblick weder konservieren noch auf später verschieben.
Katharina Ceming / Christa Spannbauer, aus: „Denken macht glücklich – Wie gutes Leben gelingt“
Stressfrei mithilfe achtsamer Wahrnehmung
Wenn am Freitag, dem St. Martinstag, die Kinder mit ihren Laternen losziehen, halte einmal inne und beobachte die kleinen Knirpse. Wie sie lauthals singen, damit kämpfen, dass die Kerzen nicht ewig ausgehen, weil sie ihre Lampions zu kräftig hin- und herschwenken, und wie sie sich gegenseitig foppen und triezen. Knallrote Wangen und die Mützen hängen schief auf ihren Köpfen. Herrlich sorglose Kinderzeit, der Zauber von Licht in der Dunkelheit.
Erlaubst du es dir, einen Moment zuzuschauen und zu spüren, fühlst du Freude und Leichtigkeit, vielleicht auch ein wenig Wehmut. Ist das nicht herrlich! Diesen Moment gönnst du dir und in diesem Moment existiert kein Stress, denn all das, was du vielleicht noch erledigen musst und was dich gedanklich stresst, all das ist in diesem Moment bedeutungslos.
Schönes Erinnern löst Stress
Und da fällt mir noch ein Satz meines Vaters ein, den er mit oft sagte. Speziell immer dann, wenn ich gehetzt bei ihm in der Wohnung stand und mich beklagte, weil zum Beispiel meine Tochter mal wieder spontan meine Hilfe bei irgendeiner Hausaufgabe einforderte, alles auf den letzten Drücker, dabei war Tage zuvor ausreichend Zeit dafür gewesen. Dann schüttelte mein Vater den Kopf und sagte: „Das musst Du noch lernen, mein Schatz. Immer langsam machen. Du bist viel zu nervös.“
Dabei nahm er meist seine Brille ab, rieb sich die Augen und lächelte mich voller Liebe an. Meist fügte er dann noch anbei, dass ich mir ein Beispiel an ihm nehmen solle, er würde jetzt erst einmal zu seinem Sessel gehen und die Füße hochlegen, alles andere könne warten. Dann musste ich auch jedes Mal lachen, denn natürlich hatte er als Rentner weniger auf dem Zettel, aber gerade deshalb war dieser Moment so schön, sein Grinsen dabei und seine Gelassenheit, die sofort auf mich überschwappte.
Heute erinnere ich mich immer dann an diesen Satz, wenn ich mich getrieben fühle, non stop eine Sache nach der anderen erledige und spüre, wie ich immer genervter und ruheloser dabei werde. Dann hole ich mir sein schelmisches Lächeln hervor und sehe ihn vor mir, mit seiner Brille in der Hand sich gemächlich Richtung Wohnzimmer bewegend. Und dann halte ich tatsächlich einen Moment inne. Diese Erinnerung erwärmt mein Herz und hilft mir dabei, Stress abzubauen. Sie hinterlässt ein Gefühl von „Ist doch alles halb so wild.“.
Stress abbauen beginnt im Kleinen
Ob es nun schöne Momente der Erinnerung sind oder das achtsame Wahrnehmen von Kleinigkeiten, die uns über den Weg laufen und die uns erfreuen, wir haben es selbst in der Hand, für einen Augenblick nur, loszulassen und das Schöne zuzulassen. Dabei entdecken wir, dass Stress im Grunde bei uns im Kopf entsteht. Du lässt es zu, dass deine Gedanken dich unter Druck setzen und dir ein Gefühl von Stress vermitteln. Dieses Erkennen ist bereits der erste Schritt, um etwas zu verändern.
Nicht gleich das große Ganze, doch du kannst den Moment verändern. Du kannst sozusagen ein inneres „Nein“ sagen und bewusst deinen Fokus neu ausrichten. Die Gewahrwerdung der Situation öffnet sozusagen deinen Blick. Stress erzeugt einen Tunnelblick. Nimmst du dieses achtsam wahr, erkennst du auch die Möglichkeit, für diesen einen Moment aus diesem Tunnel auszubrechen. Manchmal reicht es, sich kurz ans Fenster zu stellen, tief durchzuatmen und achtsam wahrzunehmen, was du dort draußen alles siehst. Ein Moment der Bewusstwerdung, ein Moment „Gedankenpause“.
Für einen Moment des bewussten Wahrnehmens haben wir immer Zeit. Und diese kleinen Momente sind es, die uns stärken und den Stress in unserem Leben minimieren.
Je „verkopfter“ du im Alltag deiner Wege gehst, desto stressiger empfindest du dein Leben. Gönnst du dir dagegen einen achtsamen Blick für alles, was um dich herum passiert, löst du das Stressgefühl mehr und mehr auf.
- Ich achte bewusster auf alles, was um mich herum ist. Entdecke ich etwas Schönes, halte ich inne und spüre der Freude darüber nach.
- Ich hole bewusst immer mal wieder Erinnerungen hervor, die mich erfreut haben und die mir helfen, das Leben stressfreier anzugehen.
- Wenn die Stressfalle zugeschlagen hat, sage ich innerlich „Nein“, stelle mich für einen Moment ans Fenster und richte meinen Fokus nach außen, weg von meinen Gedanken.
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