Vegetarisch wird gerade noch akzeptiert, wobei mein Gegenüber eine Augenbraue in die Höhe zieht. Vegan muss es sein, alles andere ist wenig gesellschaftsfähig. Zugegeben, etwas überspitzt, aber gefühlt kommt es mir oft so vor. Ich bin auch für eine gesunde Ernährung, unbedingt! Aber in Maßen und mit Freude am Essen. Sonst ist das nur Stress. Zum Glück sieht Hildegard von Bingen das ähnlich.
Hildegard von Bingen besaß ein breites Wissen über Kräuter und Gewürze. Sie erforschte deren Wirksamkeit auf unseren Organismus, unsere Psyche und unsere geistigen Fähigkeiten.
Am Sonntag ist Erntedankfest und bei uns im Dorf haben einige Geschäfte Körbe mit Kürbissen, Maiskolben und Sonnenblumen aufgestellt. Und heute Morgen habe ich einige Kastanien auf dem Bürgersteig gefunden. Sofort dachte ich an geröstete Maronen, die ich über alles liebe. Mittags rief mein Vater an und erzählte begeistert, die neue Haushaltshilfe hätte Birnen, Bohnen und Speck gekocht – herrlich! Typisches Spätsommergericht. Bei Oma gab`s die Birnen und Bohnen immer aus dem eigenen Garten. Somit wanderte ich gedanklich zu Hildegard von Bingen, die in Bezug auf Ernährung zu Produkten aus heimischer Ernte rät. Und ich bin mir sicher, bei dem Speck hätte sie ein Auge zugedrückt.
Nach Hildegard von Bingen kommt alles auf die „Spürigkeit“ an
Was mich an Hildegard von Bingen wirklich begeistert ist, dass ihre Ernährungslehre die Individualität eines jeden Menschen berücksichtigt. Sie erkannte, dass wir durch Achtsamkeit spüren, was unser Körper braucht und vor allem auch, wie unser Körper auf die unterschiedlichen Lebensmittel reagiert. Und zwar nicht nur unser Körper, sondern auch unsere Seele und unser Geist. Je achtsamer wir in uns hineinspüren, desto klarer fühlen wir unser Sättigungsgefühl und ebenso, welche Nahrungsmittel uns beispielsweise Energie rauben, träge und lustlos machen, und welche uns Kraft schenken. Im Grunde geht es um ein Zurückfinden zum natürlichen Gleichgewicht, das uns leider aufgrund von Fertigprodukten, Diäten und abstrusen Ernährungskonzepten abhandengekommen ist.
Je achtsamer du isst, desto vertrauensvoller kannst du dich auf die Signale deines Körpers verlassen. Dein Körper weiß genau, was dir gut tut.
Bei Gewürzen beherrschen wir diese Fähigkeit im Grunde sehr gut. Da merken wir schnell, ob etwas zu scharf oder zu salzig schmeckt. Hildegard von Bingen hat sich intensiv mit der Wirkung von Gewürzen und Kräutern auf Körper und Psyche befasst, da die Menschen zu damaliger Zeit mit ihren Krankheiten Rat und Hilfe im Kloster suchten. Das Gewürz Galant zum Beispiel ist eine Art präventives Universalgewürz:
„Galant wirkt euphorisierend und aphrodisierend, stimmungsaufhellend, anregend, motivierend und wirkt so gegen Niedergeschlagenheit, Schlappheit, Frühjahrsmüdigkeit und verwandte Beschwerden, …… Die krampflösende und verdauungsanregende Wirkung hilft auch bei Magenbeschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen, Durchfall und Schluckauf.“
www.st-hildegard.com
Generell rät Hildegard von Bingen dazu, die Gerichte mit den Gewürzen Fenchel, Zimt und Bertram oder Kubebenpfeffer abzuschmecken, da diese „Seelentröster“ entspannend und positiv auf das psychische Gleichgewicht wirken. (www.kraeuterweisheiten.de, www.kraeuter-verzeichnis.de)
Hildegard von Bingen warnt vor Ablenkung beim Essen
Okay, selbst als großer Hildegard-Fan gestehe ich hier eine Schwäche ein, die der „Hilde“ nicht gefallen würde – zu Recht: Ich neige dazu, beim Essen die Zeitung zu lesen, vielleicht sogar noch an einem Text zu arbeiten oder, wenn ich mich schlecht fühle, fernzusehen. Das geht selbstverständlich so gar nicht. Sobald wir uns Ablenkungen hingeben, wird es schwierig, das natürliche Sättigungsgefühl zu erspüren, geschweige denn die Wirkung der Speisen achtsam zu erspüpren.Maßvolles Essen funktioniert nur ohne Ablenkung. Dafür bedarf es hundert Prozent Achtsamkeit.Deswegen halte ich auch wenig von Diäten. Im Grunde sollten wir erst einmal ehrlich schauen, weshalb wir diverse Essenssünden überhaupt begehen? Langeweile, Nervosität oder innere Unzufriedenheit sind beispielsweise typische Essensfallen. Hildegard von Bingen weist deutlich darauf hin, beim Essen unbedingt die persönliche seelische Verfassung zu berücksichtigen. Übermäßiges Essen ist kein Trost, jedoch hilft zum Beispiel eine warme und gut bekömmliche Mahlzeit bei Traurigkeit und Mutlosigkeit.
„Körper, Seele und Geist stehen immer in Wechselbeziehung zueinander und beeinflussen sich. Wird der Körper durch Ernährungsfehler geschwächt, führt dies irgendwann gleichzeitig zu psychischen Problemen, lässt traurige Gefühle anschwellen und / oder den Zorn aufleben. Nach Hildegard von Bingen sind alle Gemütserkrankungen eine Folge der Traurigkeit oder des Zorns.“
www.hildegardvonbingeniboneby.blogspot.de
Spüre einmal selbst achtsam in dich hinein, warum du dich mit Essen „trösten“ willst. Ich nasche oft Gummibärchen beim Schreiben. Bin ich achtsam, erkenne ich, dass ich dieses immer dann tue, wenn ich mich ärgere, weil ich im Text nicht weiterkomme oder von den Kindern abgelenkt werde. So besänftige ich meinen eigenen Zorn mit Süßkrams.
Hildegard von Bingen gibt uns Ernährungshilfen an die Hand
Genau das gefällt mir an Hildegard von Bingen. Sie gibt uns eine Menge wertvoller Ernährungstipps mit auf den Weg, wobei sie keine strikten Regeln aufstellt. Ihre Ratschläge sind als Richtlinien zu verstehen, wobei jeder selbst spüren muss, inwieweit etwas für ihn bekömmlich ist und wie es seine Stimmung und seinen Geist unterstützt.Beispielsweise rät Hildegard von Bingen Rohkost, Gurken, Kraut und Kohl nur in Maßen zu essen. Am besten du kochst oder dünstet das Gemüse 10 Minuten. Auch empfehlenswert: Rohkost in Weinessig zu marinieren. Letztendlich ist unser Darm der Leittragende, er muss sämtliche Essenssünden ausbaden. Daher mische unter deinen Salat immer ein paar Flohsamen. Diese reinigen den Darm und begünstigen eine gute Verdauung. Bei Obst gilt grundsätzlich: sonnengereift und heimisch ist immer verträglicher als importiert aus exotischen Ländern. Und am besten blanchiert oder als Kompott verarbeitet. Wie wäre es zum Beispiel damit, die Äpfel beim Bauern zu pflücken und anschließend zu köstlicher Marmelade zu verarbeiten? Lecker! Und dann auf Dinkelbrot streichen. Laut Hildegard von Bingen ist Dinkel das Getreide schlechthin.
„Der Dinkel ist das beste Getreide, er ist warm und fett und kräftig, und er ist bekömmlicher als alle anderen Getreidearten; er verleiht dem, der ihn isst, rechtes Fleisch und rechtes Blut, und er macht frohen Sinn und Freude im Gemüt des Menschen. Wie auch immer die Menschen ihn essen, sei es in Brot oder in anderen Speisen, er ist gut und mild.“
aus: Hildegard von Bingen: Physica – Die natürlichen Wirkkräfte der Geschöpfe“
Dinkel ist ein reichhaltiger Lieferant an wertvollen Inhaltsstoffen. Es enthält beispielsweise eine hohe Konzentration an B-Vitaminen, die das Nervensystem schützen und den Stoffwechsel ankurbeln, sowie Kieselsäure (auch als Silizium bekannt), die das Körpergewebe festigt. Das im Dinkel enthaltene Thiocyanat, ein natürliches Antibiotikum, schützt vor Allergien und Infektionen. Und für Dinkel spricht auch die Tatsache, dass das eigentliche Korn von einer Schutzhülle (Spelz) ummantelt ist und somit vor Umwelteinflüssen und Pilzerkrankungen gut geschützt ist. Diese Schutzhülle wird vor der Verarbeitung im Gerbgang dann entfernt. Also warum nicht mal Dinkelbrot statt Weizenbrötchen?
Hildegard von Bingen entsagt nicht der Fleischeslust
„Jene Tiere die andere fressen und von verdorbener Nahrung sich ernähren und auch in der Nachkommenschaft viele Junge bekommen, wie etwa Wolf, der Hund oder das Schwein, widersprechen der menschlichen Natur genauso wie die Unkräuter. Das Vieh aber, das reine Nahrung frisst, z.B. Gras und ähnliche Weidekräuter, und auch in der Nachkommenschaft nicht viele Junge hat, ist für den Mensch gut zu Essen, wie gute nützliche Heilkräuter.“
www.hildegardvonbingen.de
Bin ich ehrlich, liegt mir nicht viel an Fleisch, ich bin im Laufe der Jahre zu einem Geschmacksvegetarier geworden. Ich esse so gut wie nie Fleisch, weniger aus Überzeugung, mir schmeckt es einfach nicht besonders. Und den Speck bei dem herrlich altmodischen Birnen- und Bohnengericht aus Kindertagen möchte ich trotzdem nicht missen, denn ohne ihn würde es fade schmecken. Übrigens empfiehlt Hildegard von Bingen allen, die sich glutenfrei ernähren oder eine Getreideallergie haben, Maronimehl. Es wird aus der Esskastanie gewonnen, besitzt ähnliche Vorzüge wie Dinkel und ich als absoluter Esskastanienfan kann nur sagen, durchaus eine köstliche Variante!
- Ich werde zukünftig wesentlich achtsamer essen, wobei ich mir bereits bei der Zubereitung bewusst Zeit nehme, um die Zutaten zu riechen, zu schmecken und zu ertasten.
- Statt beim Essen nebenbei zu lesen, konzentriere ich mich achtsam auf meine Speise – mit allen Sinnen.
- Je achtsamer und bewusster ich kaue, desto mehr versuche ich in mich hineinzuspüren. So finde ich zu einem gesunden Sättigungsgefühl zurück..
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