Wo bitte schön geht es zur inneren Mitte? Yin auf der einen Seite und Yang auf der anderen Seite – Und was liegt dazwischen? Alles schön im Gleichgewicht, innere Ausgewogenheit, mehr will ich doch nicht. Doch kennst du nicht auch dieses stressige Gefühl, statt im Auge des Hurrikans zu ruhen, kreist man drum herum. Dabei gibt es eine wirklich einfache Übung, die sämtlichen Wirbel sofort stoppt.
In der inneren Mitte berühren sich Yin und Yang in Harmonie. Die Tiefe Bauchatmung ist eine tolle Übung, um beide Pole miteinander zu verbinden.
Stippvisite bei der inneren Mitte
Unglaublich, aber ein einziger Anruf am Sonntagmorgen genügte, um mich aus meiner inneren Mitte zu bringen. Eine Frau, die meinen kranken Vater betreut, rief an, dass sie am Vorabend noch einmal bei ihm vorbeigefahren sei, weil es ihm nicht gut ging. Total lieb von ihr. Täglich schaue ich bei meinem Vater rein, nur den einen Abend, da hatte ich keine Lust, dachte, es würde reichen, am nächsten Tag zu ihm zu fahren. Ich war erschöpft und wollte endlich auch mal Zeit mit meiner Familie verbringen. Doch die Art und Weise, wie die Betreuerin meines Vaters mit mir am Telefon sprach, triggerte bei mir etwas an: Den Vorwurf, wie ich als gute Tochter an diesem Abend zuhause bleiben konnte. Sofort hatte ich Schuldgefühle, meinte mich rechtfertigen zu müssen und war verärgert über diesen unausgesprochenen Vorwurf.
Sind wir nicht achtsam, können unsere Gedanken uns von einem Moment auf den nächsten aus unserer inneren Mitte stoßen.
Unsere Gedanken können der Motor eines Hurrikans sein. Dieser Anruf löste bei mir alte Gedankenmuster aus. Gefühle, niemals zu reichen und immer als selbstverständlich wahrgenommen zu werden. Denn alles, was die Betreuerin macht, wird in den Himmel gelobt, was irgendwie auch verständlich ist, weil mein Vater viel Zeit mit ihr verbringt und ich ja schon immer da war und bin. Und natürlich hatte die Betreuerin mir mit keinem Wort einen Vorwurf gemacht. Das würde sie niemals tun.
Passen wir in solchen Momenten nicht auf, lassen wir uns von unseren Gedanken mitreißen, die mit der aktuellen Situation nichts zu tun haben.
Und wie kommt man nun aus einem solchen gedanklichen Wirbelsturm wieder heraus? Probiere einmal die Übung „Tief atmen“. Einfach kurz innehalten und zwei oder drei tiefe Atemzüge nehmen. Und dabei nur spüren. Indem du dich auf das Fühlen deiner Atemzüge konzentrierst, gehst du automatisch aus dem Kopf heraus und verbindest dich wieder über deinen Körper mit dir selbst. Du gehst in Kontakt mit deiner inneren Mitte und lässt die belastende Situation außen vor. Du gewinnst Abstand.
Die innere Mitte ist das Gefühl zu dir selbst, das aus dem Herzen kommt. Im Prinzip ist es deine Liebe zu dir selbst, die dich stärkt und dir Kraft und Klarheit schenkt.
Übung der liebevollen Annahme
Über den Atem gewinnst du innerhalb weniger Sekunden Abstand zur Situation und kannst dadurch erkennen, was genau bei dir gerade ablief. Im ersten Schritt erkennst du deine Gefühle. Du wirst dir deiner Gefühle bewusst, betrachtest sie aus einer erkennenden Distanz und nimmst sie als solche an. Allein diese Bewusstwerdung und das Annehmen verändern bereits die Situation. Du nimmst eine mitfühlende Haltung dir selbst gegenüber ein. Aus dieser Haltung heraus erkennst du nun im zweiten Schritt das Bedürfnis, welches übergangen wurde. In meinem Beispiel das Bedürfnis, mehr wertgeschätzt zu werden. Erst in dem Moment, in dem du dir deine Bedürfnisse eingestehst, kannst du dir selbst Anteilnahme schenken und dich selbst liebevoll „in den Arm nehmen“. Du darfst den Schmerz über das unbefriedigte Bedürfnis zulassen und schenkst dir selbst tröstende Gedanken. Du kannst dich auch selbst in den Armen wiegen, um dir auch über den Körper Trost und Liebe zu schenken.
Mit der Übung, sich selbst liebevoll zu begegnen, gibst du schmerzhaften Gefühlen einen Raum. Du lässt sie zu und nimmst sie an. So kannst du dich von ihnen lösen und dein Blick auf die Situation klärt sich.
„Wenn man seine Ruhe nicht in sich findet, ist es zwecklos, sie anderorts zu suchen.“
Francois de La Rochefoucauld, 1613 – 1680, franz. Literat
Das achtsame Erkennen dessen, was dich in unterschiedlichsten Situationen triggert, ist wichtig, um bei dir selbst zu bleiben und alten Wunden die Luft zum Heilen zu geben. In deiner Mitte erkennst du dich selbst und spürst Liebe. Deine Mitte ist die Tür zu dir selbst, zu deiner Seele. Die innere Mitte ist dein wahres Ich, frei von Erfahrungen, Prägungen und damit auch frei von Ängsten und kritischen Glaubenssätzen. Kehrst du zu deiner inneren Mitte zurück, erkennst du auch, dass alle Gegensätze zu einem wunderschönen Ganzen zusammenfließen. Nicht umsonst besteht das sogenannte „Taiji“ – das Symbol für Yin und Yang – aus zwei wie bei einem Puzzle ineinandergreifenden Hälften, die in ihren harmonisch gerundeten Formen einen Kreis bilden. Die eine Hälfte (Yin) steht für das Weibliche, Weiche, Empfangende und die andere (Yang) für das Männliche, Dynamische, Tatkräftige. Und in jeder der beiden Hälften ist ein „Auge des Gegenpols“ enthalten, denn die jeweils gegenteilige Kraft ist bereits im Yin und Yang angelegt.
Kehren wir zu unserer inneren Mitte zurück, werden wir ruhig, denn alle Polaritäten in uns ergänzen sich zu einem harmonischen Gleichgewicht.
Kein Tag ohne Nacht und kein heiß ohne kalt. Diese Gesetzmäßigkeit der Natur, ja, des Universums gilt auch für uns und unsere Emotionen. Neulich habe ich gelesen, dass der Mensch quasi ein kleiner Kosmos für sich sei, denn in ihm würden sich die Gesetzmäßigkeiten des Universums widerspiegeln. Mir gefällt dieses Bild oder vielmehr diese Anschauung. Sobald ich also von Emotionen – wie gerade geschildert– geplagt werde, gibt es neben dem Gefühl auch eine Gegenkraft. Nur herrscht gerade Ungleichgewicht. Die eine Kraft hat zugenommen und daher ist das Vertrauen, das Zutrauen, in entsprechendem Maße gesunken. In meiner Mitte finde ich wieder zur Harmonie.
„Nur wenn das Yin und das Yang in Harmonie sind, kann ein Mensch die Eigenschaften der Ausgeglichenheit und Geradheit haben und ein Weiser werden. Bei einem Weisen ist das Wasser klar und sauber, und die Perle schimmert in all ihrer Lieblichkeit.“
Zhu Xi, 1130 – 1200, konfuzianischer Lehrer
Für eine Atem-Übung ist immer Zeit
Über deinen Atem verbindest du Yin und Yang miteinander und findest zu deiner inneren Mitte zurück.
Natürlich reicht es nicht, einfach nur kurz ein- und ausatmen. Es geht um bewusste tiefe Bauchatmung. Im Grunde atmen wir viel zu oberflächlich. Bei der tiefen Bauchatmung dagegen atmest du bis in dein Nabelzentrum hinein. Das befindet sich etwa in der Mitte deines Körpers. Der Bauchnabel ist das Zentrum der Lebensenergie, über den Nabel wurdest du als Embryo genährt. Probiere es am besten gleich einmal aus: Sitze entspannt und lege deine Hände auf den Bauch, um den Atemfluss zu spüren. Beim Einatmen wölbt sich dein Bauch und beim Ausatmen zieht sich deine Bauchdecke wieder leicht nach innen. Du atmest quasi nicht mehr von oben nach unten, sondern vor und zurück. (Bei der aktivierenden Atmung bleiben wir im oberen Brustbereich und der Atem fließt von oben nach unten.). Mit der tiefen Bauchatmung spürst du, wie du körperlich gelöster und ruhiger wirst. Vor allem jedoch bist du mit deiner gesamten Aufmerksamkeit bei deinem Atem, tauchst so in den Moment ein und trittst aus dem Gedanken- und Gefühlswirbel heraus.
Was ebenfalls eine gute Übung zur Zentrierung ist: Sich aufrecht hinstellen, die Beine fest mit dem Boden verwurzeln, die Hände wieder auf den Bauch legen, tiefe Bauchatmung praktizieren und sich in Gedanken vorstellen, dass du dich hierbei mit der Kraft der Erde verbindest.
„Schildkröten können dir mehr über den Weg erzählen als Hasen.“
Konfuzius, 551 – 479 v. Chr., chinesischer Philosoph
Dieses Zitat des fernöstlichen Lehrmeisters liebe ich, denn durch den Anruf am Wochenende musste ich wieder einmal schmerzlich feststellen, dass mein achtsamer Weg im Schneckentempo vorangeht. Macht aber nichts. Atmen ist jetzt angesagt. Atmen, atmen, atmen. Und damit krieche ich geduldig auf dem Weg zu meiner inneren Mitte.
- Die tiefe Bauchatmung wird zu einer täglichen Übung.
- Täglich beobachte ich meinen Atem: Wie tief atme ich eigentlich?
- Statt mich zu ärgern oder zu grämen, nehme ich auch meine „schlechten“ Gefühle und Gedanken liebevoll an und schaue, welche Bedürfnisse sich dahinter verbergen.
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen …
Weitere Informationen zum Thema "Übungen & Impulse" findest du hier ...
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