Würdest du dich als mitfühlenden Menschen bezeichnen? Ich denke schon, denn geht es jemanden schlecht, stehst du voll Mitgefühl an seiner Seite. Doch Mitgefühl bezieht sich auch auf die Momente, in denen wir Freude teilen. In denen wir gemeinsam das Leben feiern, ob nun leise oder laut. Diese Momente achtsam wahrgenommen haben die Kraft, den Stress in deinem Leben zu minimieren.
Mitgefühl bedeutet auch, die kleinen Schönheiten des Tages bewusst aufzunehmen, in sie hineinzufühlen und uns daran zu erfreuen.
Mitgefühl als kleine Oase der Kraft
Täglich gehe ich meiner Wege mit unserem Hundekind, meist im Park rund um die Hamburger Alster. Anfang der Woche kamen mir drei junge Mädchen entgegen, die lauthals einen Song sangen, dabei kicherten und sich gegenseitig anschubsten. Es war ihnen offensichtlich etwas peinlich und doch hatten sie einen unbändigen Spaß daran, zu singen und ihren Gang rhythmisch ihrem Gesang anzupassen.
Man konnte gar nicht anders, als sie anzusehen. Und ich merkte sofort, wie sich bei mir auf dem Gesicht ein Grinsen ausbreitete und wie ich mich von ihrer puren Lebensfreude anstecken ließ. Nachdem ich sie passiert hatte, stellte ich fest, wie ich beschwingt und den Song leise summend meines Weges weiterging. Erst da realisierte ich auch, dass alle Gedanken, die mich zuvor noch gestresst hatten, wie weggeblasen waren. Ich fühlte mich gelöster und gestärkter für den Tag. Dank meines Mitfühlens ihrer Freude sah für mich die Welt im Nu freundlicher aus.
Momente, in denen wir achtsam die Freude fühlen, genau diese Momente prägen sich uns ein und erinnern uns auch noch Tage später an die Schönheit des Lebens.
Die Leichtigkeit dieser Mädchen nahm ich tatsächlich mit in meinen Tag hinein, denn immer wieder erwischte ich mich dabei, wie sich ihr Song wie ein Ohrwurm bei mir festgesetzt hatte und mir dadurch diesen schönen mitfühlenden Moment wieder ins Gedächtnis und ins Erleben rief.
Dadurch empfand ich viele meiner zu erledigenden Aufgaben als weniger stressig, denn meine Haltung hatte sich durch diese kurze Begegnung verändert. Leichtigkeit und Frohsinn hatten sich in mir ausgebreitet. Beides ist in mir vorhanden, nur liegt es an viel zu vielen Tagen unter der Last von Sorgen und Problemen verschüttet. Jetzt hatte ich beides wiederentdeckt.
Im Mitgefühl sich selbst fühlen
Mitgefühl bedeutet, den anderen zu fühlen und achtsam wahrzunehmen, wie man sich selbst dabei fühlt.
Die Lebensfreude der Mädchen hatte also meine Lebensfreude wachgekitzelt. Reden wir über Mitgefühl, denken wir meist jedoch eher daran, wie wir mitfühlend das Leid anderer Menschen teilen. Auch diese Momente beschenken uns selbst, indem sie unseren eigenen Stress für diese Zeit ausgrenzen, uns das Erleben von Verbundenheit schenken und wir uns selbst fühlen dürfen. Die Gefühle des anderen lösen immer auch eigene Gefühle aus.
Und hier ist es wichtig, achtsam bei den eigenen Gefühlen zu bleiben. Denn Mitfühlen bedeutet Teilen, aber nicht übernehmen. Lassen wir zu, dass die Gefühle des anderen unsere Gefühle einfärben, besteht die Gefahr, dass wir den Kummer übernehmen, uns seine Gefühle zu eigen machen und uns davon runterziehen lassen. Anders dagegen, wenn der Kummer des anderen unsere eigenen Gefühle von Leid hervorholt, basierend auf unseren eigenen Erfahrungen. So erlebst du einen innigen Moment der Zweisamkeit, der auch deinem eigenen Leid Heilung schenken kann.
In Momenten voll Mitgefühl erfährt auch unser eigenes Leid Heilung.
Meist ist es ja auch so, dass in den Momenten, in denen wir jemanden emotional stärken, sich unsere eigenen Nöte relativieren. Durch unsere mitfühlende Zugewandtheit fühlen wir uns stabiler, stärker und gleichzeitig auch handlungsfähiger angesichts unserer eigenen Sorgen. Nicht umsonst sagt man, man soll anderen helfen, um sich selbst zu helfen.
Gesunde Abgrenzung durch achtsames Mitfühlen
Gefühle teilen, sich öffnen und so auch den eigenen Gefühlen Raum geben – All das baut viel Stress ab, der sich durch die viele Gedankenlast tagtäglich in uns ansammelt. Jedoch Vorsicht, manchmal bedeutet Mitfühlen auch Abgrenzen. Ist mein Mann zum Beispiel grummelig, spüre ich das sofort, da kann er sich noch so viel Mühe geben. Bleibe ich jetzt nicht achtsam bei mir, sinkt meine Laune ebenfalls in den Keller. Damit ist uns beiden nicht geholfen.
Also auch hier: Selbstmitfühlend bei sich schauen: Was löst der andere bei mir aus? Besonders sensible Menschen lassen sich leicht durch Stimmungen und Atmosphären einnehmen und machen sich diese zu eigen. Bei negativen Schwingungen baut das den eigenen Stress nicht ab, sondern intensiviert ihn nur.
Jedoch können wir auch in solchen Momenten mitfühlend agieren. Wir gestehen dem anderen seine Gefühle zu, nehmen sie ernst, gehen jedoch emotional insofern auf Abstand, dass wir uns bewusstwerden, dass seine Gefühle nichts mit unseren zu tun haben. Erkennen wir dieses rechtzeitig, können wir bei uns bleiben und trotzdem mitfühlend agieren.
Wir fühlen achtsam mit uns selbst mit, um zu spüren, was diese Situation mit uns macht, um dann fürsorglich zu schauen, was uns guttun könnte und was dem anderen jetzt guttäte. Was ist in dieser Situation das Beste für uns beide? Zurück zu dem Beispiel mit meinem Mann: Oft hilft es tatsächlich, aus der Situation herauszugehen, indem ich beispielsweise einen gemeinsamen Spaziergang vorschlage.
Je selbstverständlicher wir uns täglich mit achtsamem Mitgefühl begegnen, desto leichter erkennen wir, was uns stärkt beziehungsweise schwächt.
In kleinen Momenten des Glücks Lebensfreude tanken
Um uns von Sorgen und Lasten weniger stressen zu lassen, können wir mitfühlend die kleinen Momente des Tages wahrnehmen, bewusst in sie hineinspüren. Zum Beispiel der milde verheißungsvolle Frühlingswind, der beim Fahrradfahren durch dein Haar weht, oder die mit jedem Tag wärmer werdenden Sonnenstrahlen auf deinem Gesicht, oder das warme Fell deines Haustieres, das sich vertrauensvoll an dich kuschelt. Es bringt Spaß, achtsam auf solche Momente zu schauen, genau zu spüren und diese guten Gefühle auszukosten. Diese Momente sind nicht selbstverständlich, daher fühle sie achtsam – Fühle mit, mit diesen vielen kleinen Glücksmomenten eines Tages.
Im Selbstmitgefühl die eigenen Sehnsüchte entdecken
Begegnest du deinen Sehnsüchten ehrlich, lernst du dich besser kennen und verstehst besser, warum manche Situationen dich stressen.
Sich selbst mitfühlend begegnen heißt auch, seine Sehnsüchte zu erforschen beziehungsweise ihnen Raum zu geben, sie zu spüren und zu reflektieren. Oft sind es Tagträumereien, die uns an unsere Sehnsüchte heranführen. Dann schaust du beispielsweise am frühen Abend aus dem Fenster und betrachtest die Dächer der Häuser, die von der sinkenden Sonne in ein warmes Licht gehüllt werden.
Und plötzlich packt dich die Sehnsucht nach der Ferne und du schwelgst vielleicht in Erinnerungen an den letzten Urlaub. Lässt du dich mitfühlend auf dieses sehnsüchtige Gefühl ein, spürst du vielleicht, wofür diese Sehnsucht steht und was gerade in deinem Leben fehlt. Oft sind Sehnsüchte auch eine Aufforderung, dich mitfühlender um deine Bedürfnisse zu kümmern und vielleicht sogar neues Erleben in deinen Alltag hereinzulassen. Gönnen wir unseren Sehnsüchten zu wenig Raum, besteht die Gefahr, zu sehr in einem Konstrukt aus Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten zu versinken. Und das wiederum schürt das Gefühl, gestresst zu sein.
Mitgefühl ist der Schlüssel, den wir nur ins Schloss stecken müssen, damit sich die Tür für die Vielfalt und die Möglichkeiten des Lebens öffnet.
Mitgefühl offenbart Momente unvergleichlicher Schönheit
Je mitfühlender du deine Umgebung und die Menschen wahrnimmst, desto mehr offenbart sich dir die Schönheit des Lebens, die sich manchmal in Gefühlen zeigt, für die es keinen Namen gibt, die jedoch dein Herz tief berühren. Einiger dieser besonderen Gefühle hat der Autor Mario Giordano in seinem Buch „1000 Gefühle, für die es keinen Namen gibt“ beschrieben. So zum Beispiel:
„Die Rührung über die Unbeholfenheit eines Kindes.
Die Freude, wie die Eltern da so Hand in Hand sitzen.
Das Glück, aufzuwachen und ihn in der Küche klappern und Frühstück machen zu hören.“
Je mitfühlender du im Alltag dir selbst gegenüber wirst, desto mehr solcher Gefühle entdeckst du und desto größer wird das Farbspektrum deines täglichen Erlebens. Und die Entdeckung dieser Gefühle lassen für den Moment der bewussten Wahrnehmung allen Stress von dir abfallen:
„Die Hoffnung, dass es heute mal für Hitzefrei reichen möge.
Das wehmütige Vermissen der Schmetterlinge im Bauch.
Die Hoffnung auf ein unmoralisches Angebot wie im Film.“
Mitgefühl hilft dir dabei, den täglichen Stress abzubauen, um Momente zu erleben, befreit von den vielen Gedanken, die dich in Trapp halten. Mitgefühl im ganz Alltäglichen ist eine Fundgrube auf dem Weg zu uns selbst. Eben nicht nur Mitgefühl in schwierigen Situationen, sondern immer und überall. Nur so erfahren wir mehr und mehr, wer wir wirklich sind, was uns hindert und beengt und was uns antreibt und beflügelt.
„Die Peinlichkeit beim Kaffeefleck auf der Hose.
Die Furcht vor dem Feilschen in Basaren.
Die Gelassenheit, wenn du niemanden mehr etwas beweisen musst.“
Unser Gefühlspektrum ist so viel reicher als wir meinen. Welche Gefühle fallen dir noch ein, für die es keinen Namen gibt?
- Ich erstelle eine Liste mit Gefühlen, die mir guttun, um diesen täglich bewusst mehr Raum zu geben.
- Achtsam werde ich in Momenten der Freude innehalten und genau nachspüren, wie sich die Freude anfühlt.
- Gefühle von Sehnsucht betrachte ich mit Achtsamkeit: Was wollen sie mir sagen? Was fehlt gerade in meinem Leben? Was kann ich dafür tun?
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