So hilft dir Abgrenzung aus dem Jammertal

Klagen auf hohem Niveau. Diesen Satz kann ich nicht mehr hören. Natürlich ist all mein Jammern auf hohem Niveau, denn mir geht es verdammt gut – Punkt. Trotzdem neigen wir alle dazu, hin und wieder zu stöhnen. Unser schönes Lebensgefühl rutscht in den Keller. Und nun? Welche Art von Abgrenzung lässt uns solche Talfahrten rechtzeitig erkennen? Oder haben die einen tieferen Sinn und wir sollten sie sogar liebevoll annehmen?

Jammern und Klagen sind Signale zur Abgrenzung. Denn oft verbergen sich dahinter nicht beachtete Bedürfnisse und überschrittene Grenzen.

Abgrenzung vor dem inneren Zensor

Die Weihnachtsvorbereitungen sind fast alle erledigt, ich habe einen langen Hundespaziergang hinter mir und da auch keine dringende Arbeit auf meinem Schreibtisch wartet, könnte ich eigentlich die Füße hochlegen und gemütlich Weihnachtstee trinken und Spekulatius knabbern. Und warum putze und wische ich stattdessen im Haus herum, nur um meinen Missmut auzuweichen? Ich sollte mich freuen und glücklich sein, endlich Zeit für mich zu haben und genießen, statt muffelig durch die Räume zu wirbeln. Stopp! Sollte, müsste – höchste Zeit für einen Perspektivenwechsel und achtsame Abgrenzung!

„Das Leben ist wie ein wunderschöner Garten, wir sitzen mittendrin und wünschen uns doch manchmal woanders zu sein.“

www.afschin.com

Dieser Satz des Autors Afschin bringt es irgendwie auf den Punkt. Es kann uns noch so gut gehen, manchmal fühlen wir uns trotzdem schlecht und kriegen es nicht so einfach hin, die Stimmung zu ändern. Unsere Gedanken, die vorwurfsvoll tadeln, von wegen es gehe uns zu gut und wie unfähig und undankbar wir doch seien, diese Art von Gedanken verschlimmern die Situation nur. Davon müssen wir uns bewusst abgrenzen und dem inneren Zensor ein Redeverbot erteilen.

Abgrenzung mithilfe eines Perspektivenwechsels

Ehrlich auszudrücken, wie es dir geht, ist doch kein Jammern. Man muss für seine Gefühle einstehen. Tust du das nicht, bleibst du nämlich in diesen leidigen „Miesepeter-Gefühlen“ hängen. Alles eitel Sonnenschein, nur weil du offensichtlich keinen Grund zum Klagen hast und es dir im Vergleich zu anderen Menschen doch extrem gutgeht? Eben nicht. Gestehst du dir dein Jammern zu und spürst achtsam in deine Gefühle hinein, erkennst du die wirklichen Ursachen. Das klappt am besten, indem du die Position eines Beobachters einnimmst. Hierbei helfen dir folgende vier Schritte:

  1. Akzeptieren, was gerade ist
  2. Innehalten, atmen und spüren
  3. Gedanklich auf einen Berg steigen und die Situation von oben betrachten
  4. Spüren: Was brauche ich jetzt beziehungsweise was wünsche ich mir von mir selbst?

Abgrenzung gegenüber Erwartungen, die uns nicht guttun

Statt dich also für derartige negative Gefühle zu verurteilen, macht es viel mehr Sinn, achtsam zu schauen, warum du fühlst, wie du gerade fühlst. In der achtsamen Wahrnehmung erkennst du nämlich den wahren Grund deiner Unzufriedenheit. Übrigens sind all deine Gedanken, mit denen du dich verurteilst, hauptsächlich Gedanken, die Erwartungen ausdrücken, von denen du meinst, die anderen würden sie an dich stellen. Und diese Erwartungen sind im Laufe der Jahre zu deinen eigenen Erwartungen geworden, mit denen du dich tagtäglich unter Druck hältst

Zurück zu meiner Unfähigkeit, die freie Zeit mit Tee und Weihnachtsgebäck zu genießen. Schaue ich achtsam, um zu spüren, woran das liegen könnte, erkenne ich, dass ich mich im Moment erschöpft fühle und mir dieses Gefühl der Erschöpfung jedoch nicht zugestehe. Um es nicht zu spüren, flüchte in einen Aktivismus, damit ich ja nichts fühle. Gestehe ich mir jedoch mein Gefühl der Erschöpfung zu, kann ich mich gedanklich selbst umarmen, mir Trost schenken und mir erlauben, träge zu sein. Und ich darf auch traurig darüber sein, dass ich in der letzten Zeit wieder meine Grenzen nicht rechtzeitig erkannt habe. Ich hätte mich von meinen inneren Antreibern besser abgrenzen und meine Kräfte besser einteilen müssen. Meine Grenzen sind zum Beispiel anders als die meines Mannes. Und ich muss niemanden beweisen, mithalten zu können. Wenn es für mich reicht, dann reicht es und Schluss.

„Du könntest jetzt sagen, die einen Menschen sind eben empfindlicher, die anderen cooler. Das hat aber nichts mit den Grenzen an sich zu tun. Denn persönliche Grenzen hat ausnahmslos jeder Mensch. Der eine zieht sie nur enger, der andere weiter.“

www.die-inkognito-philosophin.de

Abgrenzung vor deinen eigenen Ansprüchen

Erkennen wir achtsam, welche Gedanken und Gefühle zu Verstimmung und Missmut führen, ist das bereits der erste Schritt, sich davon zu lösen. In dem Moment rücken wir eng an uns selbst heran und sehen, dass wir immer die Wahl haben. Wir können das „schlechte“ Gefühl liebevoll umarmen und mit einem Lächeln verabschieden. Und wir können uns selbst ebenso liebevoll annehmen. Vielleicht schaffe ich es heute nicht, den Tee und die freie Zeit zu genießen, doch im Verstehen ergibt sich die Möglichkeit, zukünftig Schritt für Schritt besser und rechtzeitiger gut für mich zu sorgen. Und mit dieser nachsichtigen Haltung grenze ich mich von meinen eigenen Ansprüchen ab und öffne mich für Nachsicht und Mitgefühl.

„Wer Geduld sagt, sagt Mut, Ausdauer, Kraft.“

Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach, www.gutzitiert.de

Übrigens ist es erstaunlich, wie schnell sich lediglich durch die achtsame Gewahrwerdung der eigentlichen Bedürfnisse hinter meiner Übellaunigkeit der Seelenhimmel aufklärt.

Jammern verhängt den Himmel mit Wolken und bevor es komplett dunkel wird, lohnt sich also ein achtsamer Perspektivenwechsel. Noch ein letzter Tipp: Frage dich täglich, wie deine innere Wetterlage aussieht und beschreibe sie: z.B.: Wolken, die wie ein grauer Schleier über den Himmel ziehen. Oder kleine Wattewölkchen, zwischen denen sich die Strahlen der Sonne hindurchschieben.

Diese einfache Übung trainiert das achtsame „in dich Hineinspüren“ und stärkt deine „Spürigkeit“ für dich selbst.

  • Statt mich für meine schlechte Stimmung zu verurteilen, konzentriere ich mich auf meinen Atem und spüre achtsam dem wirklichen Grund dafür nach.
  • Welche Erwartungen setzen mich unter Druck? Ich schreibe eine Liste.
  • Ich werde mir einen Zettel mit folgender Frage als Erinnerung an den Computerbildschirm hängen: „Was wünsche ich mir jetzt von mir selbst?“.
Über Achtsamkeit im allgemeinen, was das ist und wie es dir hilft, kannst du hier weiterlesen Worum es speziell beim Thema "Abgrenzung" geht, findest du hier ...

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