Es ist immer wieder nett, wenn ein Schlaumeier einem im größten Stress einen weisen Spruch serviert. Von wegen, die Freiheit des Menschen bestehe darin, dass er nicht tun müsse, was er nicht wolle. Ich will vieles nicht tun und muss es trotzdem. So sieht es doch bei den meisten aus. Obwohl…. vielleicht wäre alles entspannter, würde ich mich aus meinen Konditionierungen lösen.
Was du musst, musst du noch lange nicht
„Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose…“ Warum fällt mir gerade jetzt dieser berühmte Satz von Gertrude Stein ein? Vielleicht, weil die Schriftstellerin mit ihren endlosen Wortwiederholungen eine fortgesetzte Gegenwart darstellte und somit auf einen Zustand des „reinen Seins“ hinwies. Davon bin ich Lichtjahre entfernt. In Hamburg war am Wochenende Ferienende und damit kippte mein Schalter wieder auf den Pflicht-Modus um: Nachhilfe für meine Tochter organisieren, morgens um 8.00 Uhr die erste Runde mit dem Hundekind, ins Büro, kochen, einkaufen …
Willst du Stress abbauen,
musst du deiner inneren Stimme lauschen
und dich von Fremdstimmen lösen.
Du kennst das selbst, ich erspare dir weitere Details. „Mach dir doch nicht so viel Stress.“ Netter Ratschlag meines Mannes. „Ich bin nun mal so, kann ich auch nichts dran ändern.“ Aber bin ich wirklich so? Alles, was uns stresst, zeigt uns sehr deutlich, dass wir hier nicht bei uns sind und fremden Vorstellungen von uns beziehungsweise irgendwelchen Konditionierungen folgen.
Bei Stress, den wir positiv wahrnehmen, spricht man von Eustress. Stress, der uns belastet und wohlmöglich krank macht, ist Distress. Beide unterscheiden sich in der Art und Weise der Wahrnehmung.
Innere Unfreiheit stresst
Vielleicht beschäftigst du dich bereits seit längerem mit deinen Konditionierungen und spürst in Stresssituationen sehr schnell, welche Konditionierung du gerade bedienst. Doch es ist nicht unbedingt immer so offensichtlich, welche inneren Antreiber einen gerade zu fassen haben. Hier ein paar Merkmale, an denen du erkennen kannst, dass du Bildern und Vorstellungen von dir folgst, die nicht deinem wahren Kern entsprechen. Und ebenso Merkmale, die dafürsprechen, dass du trotz Stress deinen eigenen Wesenszügen Raum gibst und dein Inneres dich leitet.
Distress-Merkmale:
- unterschwellige Überlastung
- Gefühl der Hilflosigkeit, der Überforderung, der Handlungsunfähigkeit
- Keine Entspannungsphasen
- Schwierigkeiten, Probleme rational anzugehen
- Latente Gereiztheit
Eustress-Merkmale:
- Wechsel von Anspannung und Entspannung
- Aktiviert Kräfte, schenkt Energie und Zufriedenheit
- Vertrauen und Sicherheit, die Situation zu meistern, auch wenn sie herausfordernd ist
„Ich bin“-Sätze sorgen häufig für unnötigen Stress
Ich bin penibel, ich bin verantwortungsbewusst, ebenso pflichtbewusst und ich bin schnell. Alles muss sofort erledigt werden, weggeräumt und weggewischt. Schrecklich, denn damit stresse ich die gesamte Familie. Ich kann es nicht lassen, aber so bin ich durch meine Mutter konditioniert. Ich bin extrem ordentlich. Noch wenn einer bei uns am Essen ist, räume ich bereits das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine.
Und du? Na los, bestimmt hast du auch solche „Ich bin“-Sätze auf Lager, die Stress erzeugen. Schreib sie einmal auf und du wirst staunen, wie sehr du dich durch diese Sätze selbst begrenzt und wie diese Sätze deinen Stresspegel permanent hochhalten.
Hier ein paar Beispiele:
Ich bin pedantisch, ich bin nicht intelligent genug, ich bin schüchtern, ich bin ängstlich, ich bin künstlerisch eine Null, ich bin nicht attraktiv, ich bin zu alt, ich bin unsportlich …
„Die meisten ‚Ich bin‘-Sprüche sind Relikte aus der Kindheit.“
aus „Der wunde Punkt.“, Wayne W. Dyer
Das Unfertige löst Stress
Je mehr wir uns hinter den „Ich bin“- Manifestationen verschanzen, desto weiter bekräftigen wir diese Haltung und verstärken den Glauben daran.
Indem wir uns mit unseren Konditionierungen identifizieren und ebenso all die Glaubenssätze achtlos als die unseren annehme, ohne sie zu hinterfragen, desto mehr stecken wir uns quasi selbst in Boxen. Wir etikettieren uns und das steht unserem persönlichen Wachstum im Wege. Wir berauben uns Erfahrungen und neuen Wahrnehmungserlebnissen. Laut dem Psychologen Wayne W. Dyer geben wir so ein deutliches Statement über uns selbst ab:
„Auf diesem Gebiet bin ich ein fertiges Produkt, und ich werde nie anders sein.“
Ist das nicht schrecklich? Derart in Kategorien gepfercht, bleibt kein Spielraum. Um Stress zu lösen bedarf es jedoch einer Leichtigkeit, einer Lebendigkeit und dem Wissen, dass alles fließt. Leben ist Bewegung. In dir muss daher auch Bewegung bleiben. Du darfst dir täglich erlauben, so zu sein, wie du dich gerade fühlst. Doch um dem erst einmal auf die Spur zu kommen, musst du immer wieder achtsam in dich hineinspüren.
Je weiter du von deinem Inneren entfernt bist, desto kritikloser nimmst du all die Glaubenssätze als die einzige Wahrheit an.
Zusätzlicher Stress durch Negativ-Sätze
Auf die Frage, wie wir uns selbst charakterisieren, greifen wir auf Konditionierungen zurück, die in der Vergangenheit liegen.
Würde ich dich fragen, dich selbst zu beschreiben, was würdest du antworten? Eigentlich kennen wir uns recht gut, doch hier liegt der Knackpunkt: Höchstwahrscheinlich würdest du auf Erfahrungen aus der Vergangenheit zurückgreifen und wie die meisten Menschen mit „Ich-bin“-Sätzen beginnen, die viel zu oft negativ ausgerichtet sind. Beispielsweise würde ich sagen: „Ich bin zu strukturiert.“ Wie wäre es, wenn ich jetzt ins Positive schwenke: „Ich bin gut organisiert und habe die Dinge im Griff.“ Bei all den Pflichten, die jetzt im Alltag wieder anstehen, fühlt sich dieser Wortlaut sofort entlastender und vor allem wertschätzender an.
„Ich bin“-Sätze sind wie Schnüren, die uns zusammenzurren und daran hindern, uns zu verändern und das Leben mit gegenwärtiger Erfüllung zu gestalten.
Ein Tag ist ein Tag ist ein Tag … Im Sinne von Gertrude Stein werde ich mich mit dem Start in den Alltag bewusst um mein „reines Sein“ kümmern. Je achtsamer ich bin, desto leichter werde ich all meine Konditionierungen und Glaubenssätze entlarven. So schnell werde ich mich nicht von alldem lösen, das ist mit schon klar. Aber Erkennen ist der erste Schritt. Schließlich ist ein Tag ein Tag und morgen ist auch wieder ein Tag.
- Taucht eine Konditionierung auf (z.B.: „alles muss perfekt sein“), spüre ich achtsam hinein, wie sich diese Konditionierung anfühlt.
- Eine Woche lang werde ich versuchen, die „Ich bin“-Sätze zu notieren.
- Ich forme negative „Ich-Sätze“ in positive um und spüre achtsam in die Neuformulierung hinein.
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