Stress abbauen bedeutet nicht, die Füße hochlegen und nichts tun. Neue Eindrücke, schöne Unternehmungen und anregende Gespräche bauen Stress ab, weil sie uns beleben und uns aus der ewigen Tretmühle des Alltags herausheben. Statt sich also gedanklich permanent von einer Verpflichtung zur nächsten zu angeln, lieber im „Jetzt“ spüren, was ist, und sich Freiräume schaffen.
Bewusster und achtsamer das „Jetzt“ erleben hilft dabei, viel Stress abzubauen und mehr Freude und Leichtigkeit zu spüren.
Ins „Jetzt“ eintauchen
Vielleicht hörst du ab und zu mal in unseren wöchentlichen Podcast rein, dann wird dir das Bild, das ich dir gleich beschreibe, bekannt vorkommen. Aber nicht ich habe mir dieses Bild ausgedacht, sondern die wunderbare Managertrainerin Vera Birkenbihl. Sie benutzte es, um unseren Geist darzustellen. Also los…
Hast du dir einmal darüber Gedanken gemacht, wie ein Elefantenführer seinen grauen Riesen durch eine enge Gasse oder Schlucht führen kann? Der Rüssel des Elefanten schlenkert permanent von rechts nach links und so kommen die beiden natürlich durch keine Enge hindurch. Deswegen legt der Führer dem Elefanten einen Stab in den Rüssel, denn dann hält das Tier den Rüssel still und beide können wunderbar die Enge passieren.
Unser Geist ist wie der Rüssel des Elefanten. In unseren Gedanken sind wir unentwegt hier und dort, nur nicht zentriert im „Jetzt“ – in dem jeweiligen Moment. Vera Birkenbihl bezog dieses Bild vor allem darauf, dass wir gedanklich immer zwischen Zukunft und Vergangenheit hin- und herzwitschen. In Bezug auf Stress interpretiere ich das Beispiel so, dass wir gedanklich von Anforderung zu Verpflichtung schlenkern und statt uns mit allen Sinnen der jeweiligen Aufgabe im „Jetzt“ zu widmen, stressen wir uns selbst, weil es rechts und links noch all die anderen Dinge gibt, die getan werden müssen.
Um Stress abzubauen, tauche mit allen Sinnen in das „Jetzt“ ein, zentriere deinen Geist und lasse es in deinen Gedanken ruhig werden.
Die Gedanken zentrieren
Es ist spannend, wenn du dich selbst einmal mit dem Bild des Elefanten vor Augen kritisch beobachtest. Mein Rüssel ist sozusagen gleich mit Tagesbeginn am Schlenkern, denn ich neige leider dazu, bereits am Morgen nach dem Aufstehen alle anstehenden Termine und Verpflichtungen quasi in Endlosschleife in meinen Gedanken abzuspulen. Das erschlägt mich und bäumt sich dann wie ein nicht erklimmbarer Berg vor mir auf. Natürlich erscheint dann selbst die eigentlich schöne Verabredung mit einer Freundin am Abend in einem stressigen Licht.
Mit diesem Verhalten raube ich mir Freude. Um derartigen gedanklichen Stress abzubauen, macht es also absolut Sinn, sich immer nur auf das, was gerade ansteht, was in dem jeweiligen Moment ist, zu konzentrieren. So eröffnet sich der Raum des „Jetzt“. Man nimmt viel umfassender wahr und erkennt die kleinen Freuden darin. Gedanklich bereits bei meiner To-do-Liste kann ich beispielsweise gar nicht so richtig die Gespräche beim Frühstück mit meiner Familie genießen, bin nicht wirklich offen für Späße und sinnlose Quatscherei. So raube ich mir viel Erleben. Erleben, das alles stressfreier machen würde.
Das Leben lebendig leben, die Intensität des jeweiligen Moments spüren, das ist das Bedeutende im Alltag und nicht die vielen Gedankensprünge, immer der Zeit vorweg.
Es ruhiger angehen lassen
Da fällt mir wieder mein Vater ein. Wie oft sagte er zu mir: „Kind, Du musst ruhiger werden.“ Er zuckte mit den Schultern und sah mich mit einem Lächeln an, das die Zeit stillstehen ließ: „Dann schaffst du eben nicht alles, davon geht die Welt auch nicht unter.“ Natürlich hatte er mit seinen über achtzig Jahren gut reden, aber er hatte Recht.
Überlege einmal, an was du dich erinnerst, wenn das Jahr verstrichen ist? Was ist dann wirklich wichtig gewesen? Bestimmt nicht der viele Stress. Es sind die Begegnungen gewesen, das Miteinander. Wenn mein Vater das so sagte und ich eigentlich schon wieder auf dem Sprung war, dann blieb ich manchmal eben doch noch bei ihm sitzen und wir tranken zusammen eine Pfütze seines geliebten Whiskeys. Und dieser gemeinsame Moment war es dann auch, der den Rest des Tages in einem ganz anderen Licht ausleuchtete. (Und das lag nicht an dem Whiskey;-). Die geteilte Nähe, das gemeinsame Sitzen und einfach zusammen sein, ohne irgendwelche wichtigen Dinge zu besprechen oder zu erledigen, genau diese Momente machen den Unterschied.
Sicher, im Alter hat man wohl keinen Stress mehr, aber vielleicht hilft es uns, hier von den Alten zu lernen, um unseren ewigen Stress endlich abzubauen und uns für das zu öffnen, was wirklich zählt: Freude haben und Miteinander erleben.
Die entscheidende Ressource ist menschliche Wärme. Ideen, Motivation und Wissen gibt es genug in unserer Gesellschaft. Was sie braucht, ist mehr Warmherzigkeit, das größte Mangelgut. Das macht alte Menschen wieder attraktiv. Eine weise Kultur ist eine warme Kultur.
Prof. Dr. Michael Lehofer, Psychologe und Philosoph, „Alter ist eine Illusion“
Den Moment wertschätzen
Abschließend habe ich heute einige Zeilen von Ryōkan herausgesucht, einem japanischen Zen-Meister des 18.Jahrhunderts, der die meiste Zeit seines Lebens als Eremit lebte. Ja, ja, sicherlich denkst du dir jetzt, als Eremit hat man natürlich null Stress, hahaha. Aber vielleicht ja doch, denn du weißt ja nie, mit welchen Gedankenschleifen ein Eremit zu kämpfen hat. Ehrlich gesagt, stelle ich mir das auch nicht einfach vor. Aber zurück zu den Zeilen, die Ryokan geschrieben hat. Sie berühren mich und ich finde sie wunderbar, denn genau das bedeutet bewusstes Erleben des „Jetzt“. Und sie zeigen mir mal wieder, wie viel wichtiger Freude und Leichtigkeit im Leben sind als das Gehetze von A nach B, um alles unter einen Hut zu kriegen.
Zuerst flechten wir Grashalme und spielen Tauziehen,
dann singen wir und versuchen, einen Fußball in der Luft zu halten.
Ich kicke den Ball, und sie singen; sie kicken, und ich singe.
Die Zeit ist vergessen, die Stunden vergehen im Flug.
Menschen, die vorübergehen, deuten auf mich und lachen:
„Warum machst du dich zum Narren?“
Ich nicke und antworte nicht.
Ich könnte etwas sagen, aber wozu?
Möchtest du wissen, was in meinem Herzen ist?
Vom Anbeginn der Zeit: Nur das! Nur das!
Ryōkan, zen-buddhistischer Mönch
- Das Bild mit dem Elefanten nehme ich mit in meinen Alltag, um mich zu ermahnen, gedanklich achtsamer im „Jetzt“ zu bleiben.
- Ich nehme mir bewusster Zeit für Begegnungen. Spüre achtsamer in das Miteinander hinein und genieße die vielleicht auch nur kurzen Momente, die jedoch wichtig sind.
- Zwischendurch halte ich immer mal wieder inne, atme bewusst, recke und strecke mich und spüre, was ist. So steige ich automatisch aus dem Gedankenkarussell aus.
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