Wie kann es sein, dass wir uns so oft erschöpft und müde fühlen? Ist das Leben denn so stressig geworden? Und wenn ja, dann sollten wir die Gründe erkennen und Methoden entwickeln, um den Stress abzubauen und endlich wieder freudvoll und mit Kraft und Energie das kostbare Geschenk der Zeit zu genießen.
Stress abbauen bedeutet nicht nur Entspannen. Bewegung und soziales Miteinander wirken ebenfalls stressreduzierend.
Wieso klagen alle über Stress?
Ich gestehe, auch ich zähle dazu. Wie oft fühle ich mich müde und erschöpft. Und wie mir ergeht es vielen Menschen. Neulich habe ich gelesen, dass angeblich regelmäßige Umfragen dieses Gefühl der Müdigkeit und Erschöpfung bestätigen. Im März 2023 lautete demnach die häufigste Diagnose von Psychotherapeuten „Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit“. Und das im März, wo alles wieder losgeht, die Natur aus ihrem Winterschlaf erwacht, die Tage lang und länger werden und eine verheißungsvolle Milde in der Luft liegt. Unbegreiflich! Im September 2023 fühlten sich laut Umfrage 53 Prozent der Deutschen erschöpft und 40 Prozent war überzeugt, dass die Erschöpfung weiter zunehmen würde. Anfang dieses Jahres sagte jeder zweite (!) Arbeitnehmer, dass er in den vergangenen Jahren erheblich an Kraft verloren hätte. Stress pur also.
Meine Großeltern und auch die Generation meiner Eltern klagte nie über Stress. Abgesehen davon, dass Oma und Opa dieses Wort gar nicht kannten. Von dem Professor Alain Ehrenberg stammt das Buch „Das erschöpfte Selbst“. Darin beschreibt er, dass Erschöpfung zu einer Begleiterscheinung einer Gesellschaft geworden sei, in der es nicht mehr um die Grundfrage „Was ist mir erlaubt?“ gehe, sondern um die Frage „Bin ich fähig, es zu tun?“.
Und wegen diese Eigenverantwortung wären wir geradezu überfordert, was wiederum stresst und erschöpft. Gemäß dem Zeitgeist damit einhergehend der Anspruch der Selbstoptimierung: Dieses und jenes nicht essen, dieses und jenes unbedingt essen, 10.000 Schritte am Tag, Weiterbildung bis ins hohe Alter, soziales Engagement nebenbei, bestmögliche Förderung der Kinder und ganz oben die Selbstfindung. Ich finde, das hört sich schon beim Schreiben stressig an.
Selbstfürsorge praktizieren und den Anspruch der Selbstoptimierung runterschrauben – So lässt sich Stress reduzieren.
Schon Kleinigkeiten helfen, den Stress abzubauen
Der ewig gleiche Trott, die immer gleichen Wege, die immer gleichen Gespräche mit den immer gleichen Leuten. Das macht müde. Vor allem erschöpft es geistig, weil es geistig träge macht. Alltag ist eben Alltag, da bleibt wenig Raum für Abwechslung, so könnte man jetzt argumentieren. Aber du kannst Kleinigkeiten ändern, um deinem Gehirn neue Reize zu bieten, wie zum Beispiel andere Musik als gewohnt zu hören, mit dem Fahrrad einen anderen Weg zur Arbeit entlangradeln oder statt täglich Kantine kleine Bistros in der Nähe entdecken. Das Gehirn will nämlich, wie ein Muskel, trainiert werden, dann wird es besser durchblutet und ist gleich viel wacher.
Und ebenso kannst du noch eine weitere Kleinigkeit ändern. Du kannst dir handyfreie Zeiten einbauen, in denen du keine Mail checkst, keine Nachrichten liest und nicht online bist. Ständig online zu sein, verbraucht viel Energie und erschöpft. Du wirst überrascht sein, wieviel geistige Energie sich plötzlich freisetzt und wieviel energetischer du dich dadurch fühlst.
Um Stress abzubauen, reicht es bereits, Kleinigkeiten in deinem gewohnten Alltag und deinem routinierten Verhalten zu ändern.
Statt Füße hochlegen, aktiv werden
Wie oft kommt man abends von einem vollen Tag erschöpft nachhause und möchte eigentlich nur noch die Füße hochlegen. Und am besten wäre es jetzt, „Simsalabim“, dass wie durch ein Wunder das fertige Abendessen auf dem Tisch steht. Doch angeblich steckt in der Erschöpfung auch die Gefahr, sich dieser zu sehr hinzugeben und in einen Schon-Modus zu gleiten, der wenig erholsam ist.
Wer nämlich jetzt etwas Aktives tut, zum Beispiel Kochen, der erfährt dabei, dass sein Tun eine Wirkung hat. Und in der Psychologie nennt man dieses Gefühl, das stärkt und Energie schenkt, „Selbstwirksamkeit“. Dabei sollte man sich eine Beschäftigung aussuchen, die man gerne macht. Wer es hasst, zu kochen, der sollte es dann lieber lassen. Aber zum Beispiel kann man sich in Ruhe hinsetzen und die Geburtstagskarte für eine Freundin selbst basteln, statt sie zu kaufen.
Oder das Geschenk für das erwartete Baby der Nachbarin selbst stricken oder den Gartenzaun streichen. Eine Sache, die einem Freude bringt, trotz des Gefühls der Erschöpfung zu machen, sei laut Psychologen auch deshalb wichtig, weil die Menschen im Job meist nicht das Gefühl hätten, fertig zu sein. Und in der digitalen Welt erfährt man eben keine körperlichen Veränderungen. Zudem habe ich dabei festgestellt, dass ich bei solchen Beschäftigungen gedanklich komplett abtauche. Liege ich dagegen faul auf dem Sofa, kreisen meine Gedanken weiterhin um all die Dinge, die mich stressen, so dass auch das „Ausgestreckt auf dem Sofa“ nicht unbedingt entspannend ist.
Das Gefühl der „Selbstwirksamkeit“ hilft besonders in stressigen Phasen trotz vieler Anforderungen und Verpflichtungen Kraft und Energie zu tanken.
Was natürlich immer gut bei Stress ist: Bewegung. Und da reicht schon der Spaziergang, es muss nicht gleich das schweißtreibende Krafttraining sein. Durch Bewegung wird das Gehirn besser durchblutet, Stresshormone abgebaut und Botenstoffe freigesetzt, die Glücksgefühle erzeugen. Bewegung bedeutet übrigens nicht immer ein zusätzlicher Zeitaufwand. Man kann Bewegung wunderbar in den Tag integrieren. Vielleicht probierst du es mal aus und gehst zu Fuß oder nimmst das Fahrrad statt Bus, Bahn oder Auto.
Bewegung hilft sowohl körperlich als auch geistig beim Abbau von Stress.
Gemeinschaft erleben und Stress abbauen
Interessant finde ich den Begriff „sozial Energie“, der von dem Soziologen Hartmut Rosa stammt. Denn Energie scheint auch eine gemeinschaftliche Angelegenheit zu sein. Dem kann ich nur zustimmen. Wie oft habe ich abends, nach einem ausgefüllten Tag, keine Lust und Energie mehr, zum Tischtennistraining zu fahren. Doch überwinde ich meinen Schweinehund, stehe ich wenig später voller Energie an der Platte, scherze zusammen mit den anderen Frauen und habe jede Menge Spaß am Spiel und an der Gemeinsamkeit. Danach fahre ich gestärkt nachhause und fühle mich wesentlich weniger gestresst und erschöpft als zuvor. Oder beispielsweise liege ich bereits müde und träge auf dem Sofa und mein Bruder ruft an, wir kommen ins Plaudern, lachen und reden über dieses und jenes, und danach fühle ich mich viel munterer.
Wir Menschen sind soziale Wesen und das Miteinander schenkt uns Energie. Einsamkeit dagegen erschöpft und raubt Energie. Im Miteinander jedoch erleben wir geistige Anregung und teilen Freude. Daher macht es beispielsweise auch Sinn, sich für Unternehmungen nach Feierabend zu verabreden. Zusammen Spazierengehen, zusammen Joggen, zusammen Kochen oder einfach nur zusammen eine Stunde Quatschen.
Das Erleben von Gemeinschaft und Verbundenheit schenkt Energie, wohingegen der Rückzug in die Einsamkeit Gefühle von Erschöpfung und Müdigkeit verstärkt.
Natürlich gibt es auch Phasen, in denen man sich zurückziehen möchte, einfach nur auf dem Sofa abhängen und der körperlichen und geistigen Erschöpfung einen Raum für Entspannung bieten möchte. Wie bei allem geht es darum, achtsam zu spüren, was dir in dem Moment wirklich guttun würde. Oft ist es bequemer, dem inneren Schweinehund nachzugeben, doch gerade dann solltest du aufmerksam in dich hineinfühlen und dich ehrlich fragen: Fühlst du dich besser, wenn du nachgibst oder wirst du dich besser fühlen, wenn du diesen Schwerenöter in die Schranken weist und dir einen Ruck gibst?
- Ich versuche, Kleinigkeiten in meinem Alltagstrott zu verändern, denn durch das neue Erleben werde ich Energie und Kraft tanken.
- Ich achte einmal darauf, wie oft ich am Tage zu meinem Handy greife und so Zeit überbrücke und mich ablenke, um mich zukünftig bewusster von dieser Gewohnheit zu lösen.
- Ich verabrede mit mir selbst, mich an drei Abenden in der Woche entweder mit einer Freundin zu treffen, in Gemeinschaft Sport zu machen oder irgendetwas anderes Schönes in Gemeinschaft zu erleben.
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