Emotionen sind die Würze des Lebens. Negative Energiebomben, wie zum Beispiel Wut, sind jedoch selten willkommen. Wir explodieren oder versuchen die Wut hinunterzuschlucken. In der Gelassenheit jedoch können wir Gefühle liebevoll annehmen, um sie zu verstehen und einen besseren Umgang mit ihnen zu finden.
Gelassenheit ermöglicht uns, jegliche Emotion mitfühlend anzunehmen, sie zu betrachten und ihren Ursprung zu verstehen.
Verdrängte Emotionen blockieren unsere Energie
Kleinigkeiten, Banalitäten, komplett spießig, sich darüber aufzuregen. Die letzten Sommertage, herrliches Wetter, ist das nicht Grund genug, sich zu freuen und diese lichte Zeit des Jahres freudvoll zu genießen? Nix da, denn heute Morgen kommt mir dieser Typ auf dem Fahrrad entgegen, pöbelt schon von weitem, klopft demonstrativ auf meine Kühlerhaube und schimpft wie ein Rohrspatz. Die Straße, in der wir wohnen, ist eine Einbahnstraße, jedoch für Fahrradfahrer beidseitig einfahrbar.
Daran hatte ich nicht gedacht und mich beim Abbiegen zu weit auf seine Seite, auf die linke Seite, gestellt. Das war meine Schuld. Ich versperrte ihm den Weg. Das war keine Absicht und es tat mir auch leid. Aber muss man mich deshalb gleich derart beschimpfen? Ich kam gar nicht dazu, mich nett zu entschuldigen und derart angeschnauzt hatte ich keine Lust mehr dazu.
Dabei hatte der Fahrradfahrer mich bestimmt als Ventil genommen, um irgendeinen Ärger loszuwerden. Mein Fehlverhalten war bestimmt das berühmte I-Tüpfelchen.
Lassen wir unsere Wut nicht zu, sammeln sich negative Emotionen an und entladen sich bei nichtigen Anlässen – entweder man explodiert oder implodiert, richtet die Wut gegen sich selbst.
In der Gelassenheit erkennen wir die Emotion hinter der Emotion
Das Gemeine an der Wut ist ja, dass sie eine gesellschaftlich wenig akzeptierte Emotion ist. Allen anderen belastenden Gefühlen, wie zum Beispiel Trauer, Schmerz oder Angst, gibt man Raum und man begegnet ihnen mit Mitgefühl. Wut dagegen wird schnell mit Aggressivität und Bedrohung verwechselt. Meine Tochter schließt sich in ihrem Zimmer ein und schimpft dort lautstark wie ein Rohrspatz. Und als mein Sohn noch bei uns wohnte, vergrub er sich unter seiner Bettdecke. Wenn ich anklopfte, hörte ich nur ein leises „Lass mich in Ruhe“.
Seine Reaktion zeigte mir sehr deutlich, dass seine nach innen gestülpte Wut nur eine Emotion war, die vorgelagert war. Darunter ruhte die eigentliche Emotion: Schmerz, Enttäuschung, Trauer, Verletzung. Seine Wut war lediglich eine Reaktion auf ein viel tiefer sitzendes Gefühl. Und gegen dieses Gefühl rebellierte seine Wut, die er jedoch selten lautstark äußerte.
Wut in ihrer reinen Form zeigt eine Verletzung. Sie ist eine Art zu kommunizieren, dass einem etwas wichtig ist und dieses energetisch zu äußern.
Vor Jahren war ich in Andalusien auf einer Art Selbsterfahrungsreise. Trancetänze, Mantras singen, Feuer-und Wasserrituale zur Verbannung von Glaubenssätzen – Wir haben dort nichts ausgelassen. Eine unglaublich wichtige Erfahrung. Und natürlich haben wir auf Kissen eingeschlagen, um unsere Wut zu lösen, sozusagen der Klassiker. Diese therapeutische Übung zeigt recht deutlich: Unter der Wut lauert immer eine andere Emotion und um diese Emotion geht es im Eigentlichen.
Somit ist Wut, achtsam betrachtet, ein Hinweis auf etwas sehr Wichtiges, was in unserem Herzen gärt. Und wenn die Wut versucht, uns vor alten Wunden zu schützen, begegnen wir als Erwachsener häufig unserem Inneren Kind. Und hier kommt die Gelassenheit ins Spiel: Je gelassener du in dir ruhst, je größer dein Puffer an Gelassenheit ist, desto leichter fällt es dir, die eigentlichen Emotionen zu erkennen. Gelassenheit federt deine Wut ab. Ein Flummi kann auf einem Puffer nicht hüpfen. Er bleibt liegen. So kannst du die Emotion, die dich eigentlich am Wickel hat, in Ruhe betrachten.
Gelassenheit hilft dir dabei, deine tieferen Emotionen zu erkennen, sie wichtig zu nehmen, um entsprechend mitfühlend mit dir selbst zu agieren.
Gelassenheit fördert das Miteinander
Als gelassene Mutter J bin ich in der Tat ganz gut darin, meinen Kindern ihre Wut zuzugestehen und ihrer Wut mitfühlend zu begegnen. Nicht immer, aber es klappt ab und an. Bei den Kindern erkenne ich die verletzten Emotionen, die zu ihren wütenden Reaktionen führen. Bei mir selbst erkenne ich das meistens leider erst im Nachhinein.
Aber immerhin. Seitdem ich versuche, mich in Gelassenheit zu üben, indem ich die kleinen Dinge des Alltags wertschätze, immer mal wieder innehalte, um bewusst wahrzunehmen, was gerade ist, und die Selbstverständlichkeiten meines Lebens bewusst wertschätze und Dankbarkeit dafür spüre, seitdem bin ich tatsächlich gelassener geworden.
Diese Gelassenheit erleichtert es, zu erkennen, welche Gefühle mich warum geritten haben, um mich dann zu entschuldigen, offen einzugestehen, warum ich soundso regiert habe, und somit eine neue Ebene des Miteinanders zu schaffen.
„Wie ein Fluss strömen die Gefühle in uns dahin, und jedes Gefühl ist ein Tropfen dieses Flusses. Unsere Praxis besteht darin, tief in den Fluss hineinzuschauen und zu beobachten, wie jedes Gefühl entstanden ist. Wir erkennen die Dinge, die uns am Glücklichsein gehindert haben, und wir tun unser Mögliches, sie zu verwandeln.
Thich Nhat Hanh, aus: „Nimm das Leben ganz in deine Arme“
Emotionen im entscheidenden Moment erkennen, tiefer schauen und verstehen. Den Weg dahin ebnet uns Gelassenheit. Deswegen sollten wir auch unsere Wut liebevoll begrüßen, statt sie hinunterzuschlucken. Kopfschmerzen oder Verspannungen sind nur einige Symptome verdrängter Wut. Denn Wut ist wie jede Emotion eine Energie. Energien können wir nicht einfach ausradieren. Sie zirkulieren weiter im Körper und Geist, selbst wenn wir alles dransetzen, dieses zu ignorieren. Je achtsamer du deiner Wut begegnet, desto klarer erkennst du die Emotionen dahinter und desto weniger wird dich deine Wut zu Gefühlseruptionen verleiten.
Hier eine kleine Übung, um gelassener mit Wut umzugehen:
Steigt Wut in dir auf, atme mit einem tiefen Atemzug bewusst Gelassenheit ein und beim Ausatmen lässt du sie gedanklich durch deinen Körper strömen. Nutze den so gewonnen Abstand zu deiner Wut und lokalisiere diese nun, wo du sie in deinem Körper spüren kannst. Nimm die Wut lediglich wahr und betrachte sie voll Mitgefühl.
Je gelassener wir sind, je mitfühlender nehmen wir uns an
Je gelassener du in Momenten der Wut dir selbst begegnest, desto klarer erkennst du die Emotion hinter deiner Wut und damit öffnest du die Tür, dir selbstmitfühlend zu begegnen. Gelassenheit ermöglicht dir ein Eingeständnis deiner eigenen Verletzlichkeit. So weist deine Wut dir letztendlich den Weg zu deinem Herzen. Man kann auch sagen, dass es darum geht, in der Wut die Liebe zu erkennen. Liebe, nach der wir uns so sehr sehnen – uns selbst gegenüber und von den Menschen, mit denen wir uns umgeben.
„Weil wir die Natur unseres Leidens nicht kennen, kann unser Bewusstsein uns nicht leuchten, damit wir das Leiden zu erkennen vermögen, das in der Tiefe unseres Unterbewusstseins verborgen liegt. Darum machen wir dieses oder jenes für unser Leben verantwortlich.“
Thich Nhat Hanh, aus: „Versöhnung mit dem inneren Kind“
Welche verborgene Emotion heute Morgen bei meinem wütenden Fahrradfahrer am Köcheln waren, wer weiß das schon. Oder salopp gesagt: Die Laus, die ihm über die Leber gelaufen war, interessiert mich nicht. Doch Moment mal: Wäre ich bereits etwas weiter in Punkto Gelassenheit, hätte ich Mitgefühl für den Mann aufbringen können. So habe ich mich doch ein wenig über ihn geärgert, jedenfalls genug, um heute sein Thema zu meinem zu machen. Und damit hatte dieser Vorfall dann ja doch wieder etwas Gutes.
- Spüre ich Wut in mir Aufkeimen, verbinde ich mich mit meinem Atem und spüre in meinen Körper: Wo sitzt meine Wut und auf welche Emotionen will sie mich hinweisen.
- Menschen, die mir wütend begegnen, versuche ich mitfühlend und gelassen zu begegnen.
- Gelassenheit ist angesagt: Selbst wenn ich erst nach einem Wutausbruch die tieferliegende Emotion erkenne, ist das bereits ein erster Schritt.
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