Offline ist das neue Online. Oder anders gesagt: Man will gar nicht mehr ständig erreichbar sein. War es vor nicht langer Zeit „in“ jeder Zeit digital abrufbar zu sein, zeigt sich ein neuer Trend: Ich lock mich mal aus. Da mache ich gerne mit, du auch? Nach Ruhe sehnen wir uns doch alle. Doch mal ehrlich, ohne Unruhe wäre das Leben auch langweilig. Innere Ruhe trotz äußerer Unruhe, darum geht es.
Innere Ruhe entspringt innerer Gelassenheit, zu der du findest, je öfter du dir der Dinge achtsam gewahr wirst.
Unruhe im Außen, Gelassenheit im Innen
Bestimmt kennst du Situationen, da ist plötzlich alles ganz ruhig, alle sind ausgeflogen und du bist allein zuhause, hast nichts zu tun. Und jetzt? Vielleicht surfst du im Internet, liest ein Buch, schaust Fernsehen oder räumst auf. Eine Weile geht das gut, doch dann macht die Ruhe dich nervös. Mir erging das letzten Samstag so. Eigentlich hatte ich mich darauf gefreut, ein Wochenende nur für mich allein zuhause, alle weg, endlich Zeit, um ungestört zu arbeiten. Doch dann ertrug ich die Stille nicht und bin gegen Abend mit unserem Hundekind in die Stadt geflüchtet, um dort wie viele andere auch einen Spaziergang um die Alster zu machen. Danach war ich ruhiger.
„Die Menschen glauben aufrichtig, die Ruhe zu suchen, und suchen in Wirklichkeit nur die Unrast.“
Blaise Pascal, franz. Mathematiker und Philosoph, 1623 – 1662
Dieses Zitat gibt mir zu denken. Wie gehst du mit Ruhe um? Kannst du Ruhe genießen oder macht sie dich innerlich kribbelig? Ist es so, dass es uns an innerer Gelassenheit fehlt, wenn wir stille Zeiten nicht aushalten können? Unser Außen ist auf Unruhe gepolt. Hier auf dem Lande herrscht dagegen Stillstand, keine pulsierende Energie, kein Treiben auf den Straßen, kein „Puls“, der mich elektrisiert und unter Strom hält. Alles scheint zu schlafen. In der Stadt dagegen ist alles in Gange, rund um die Uhr. Einerseits sehne ich mich nach Ruhe, weil ich meine, dadurch gelassener zu werden, andererseits mag ich es, wenn etwas los ist in meinem Leben. Ich möchte am Tag etwas „erledigen“. Das gibt mir abends ein gutes Gefühl, zwar müde, aber zufrieden. Und dann fühle ich innerlich auch eine Art Gelassenheit, die mir ein ruhiger Tag selten beschert. Blaise Pascal schreibt in seinen „Pensée – Gedanken über die Religion“, dass es die Zerstreuung sei, die wir suchen. Ohne Zerstreuung wären wir in unseren Gedanken gefangen wie ein Sträfling in seiner Zelle.
Bedingungslose Gelassenheit
„Wir knüpfen Ruhe an Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit wir uns das leisten können, sonst haben wir ein schlechtes Gewissen.“
Professor Ralf Konersmann, Interview mit „Psychologie heute“ 01/2016
Der verdiente Ruhestand oder die verdiente Pause nach getaner Arbeit. Wenn ich ehrlich bin, dann steckt mir genau diese Haltung in den Knochen. Ich bin damit aufgewachsen. Daher vielleicht auch die Schwierigkeit, mir Ruhe zu gönnen, weil immer eine Art schlechtes Gewissen damit einhergeht. Sobald mein Mann zum Beispiel in unserem Garten arbeitet, räume ich im Haus hier und da, denn bei seinem Fleiß kann ich es mir nicht erlauben, in Ruhe zu entspannen, selbst am Wochenende nicht. Würde ich in mir ruhen, würde ich erkennen, welcher Anspruch mich dabei antreibt, um mich davon zu lösen. Träge ich mehr Gelassenheit in mir, wäre es mir egal, was andere denken und machen, ich täte das, was mir guttut. Denn natürlich führt eine derart getriebene Haltung dazu, dass ich am Ende gereizt und übelgelaunt bin, während mein Mann zufrieden mit seinem Werk den Abend genießt. Gelassenheit basiert auf einer inneren Ruhe, an der fremde Ansprüche abprallen. Und je ruhiger du im Innen bist, desto klarer erkennst du auch, dass innere Ruhe nicht an äußere Ruhe gebunden ist.
Aus Gelassenheit Energie schöpfen
„Es gibt eine Unruhe, die bloß Hektik, Betriebsamkeit, geistloses Nach-vorn-Stürmen ist. Und es gibt eine gute Unruhe, die konstruktiv ist, ……“
Professor Ralf Konersmann, Interview mit „Psychologie heute“ 01/2016
Gute Unruhe, die konstruktiv ist, basiert auf Gelassenheit. Wäre ich letzten Samstag innerlich gelassener gewesen, hätte mir die äußere Stille nicht viel ausgemacht. Doch mir fehlte es an Gelassenheit. Die äußere Ruhe war sozusagen die ideale Plattform meiner inneren Rastlosigkeit, sich zu präsentieren. Eine Rastlosigkeit, die erst dann verblasst, wenn es laut um mich herum wird. Welch ein Paradox: Wie oft schimpfen wir über die Hektik und das Gewusel des Alltags und wird es plötzlich ganz still, können wir das nur schwer ertragen. Ich denke, sobald wir gelassener werden, prallt der „äußere“ Zustand mehr und mehr an uns ab. Dann ruhen wir zufrieden in uns und nehmen jegliche Situation, wie sie ist. Und wir hören endlich damit auf, uns innerlich über tausend Dinge den Kopf zu zerbrechen, was unendlich viel Energie raubt und immer zu Lasten der Gelassenheit geht.
Ein Eckpfeiler zu mehr Gelassenheit: Achtsamkeit
In Momenten der Achtsamkeit schaffen wir uns eine kleine Insel der inneren Ruhe inmitten der äußeren Hast und Eile.
Innere Ruhe hat somit nicht viel mit äußerer Ruhe zu tun. Jetzt fallen mir gerade die vielen Nachmittage ein, die ich früher mit den Kindern auf dem Spielplatz verbracht habe. Ein Stimmengewirr aus Lachen, Schreien und Zanken. Überall hüpften und tobten Kinder umher. Und manchmal saß inmitten dieser Tollerei so ein kleiner Fratz seelenruhig im Sandkasten und türmte ein Sandkuchen nach dem anderen, komplett in seiner Welt, als würde das Außen nicht existieren.
Je präsenter wir im Jetzt leben und unser Gewahrsein auf unser Tun richten, desto weniger lassen wir uns von Zerstreuung verleiten.
Ist dir aufgefallen, dass du in den Momenten, wo du wirklich präsent bist und deine gesamte Aufmerksamkeit auf dein Tun richtest, dass in diesen Momenten die äußere Unruhe abklingt? Ebenso bedeutungslos wird jegliche Art von Zerstreuung. Ein achtsamer Geist ruht in sich. Und genau das ist die ersehnte Gelassenheit. Beispielsweise hat meine Lust an digitaler Zerstreuung sich verändert, seitdem ich diesen Blog schreibe. In einem Artikel des Zukunftsinstituts habe ich irgendwann über „Digitales Cocooning“ beziehungsweise „OMline“ gelesen. Ich finde die Begriffe sehr treffend. Unruhe und damit verbunden natürlich auch Stress oder Burnout sind alles gesellschaftliche Zeitphänomene, da können wir nicht einfach sagen, das geht uns nichts an. Aber wir können auf uns Acht geben und uns in Bezug auf Zerstreuung rar machen. Denn es ist ein großer Unterschied, ob du selbst produktiv ist (Kind im Sandkasten) oder dich berieseln lässt (Internet, Fernsehen). Berieselung hinterlässt ein Gefühl der Leere, Produktivität dagegen der Erfüllung und des Verbunden Seins mit dir selbst.
„Das Internet ist deshalb ein Suchtmittel, weil es uns an unserem archaischen Grundbedürfnis nach Verbundensein und Wahrgenommenwerden packt.“
www.zukunftsinstitut.de
Sobald du achtsam bei dem bleibst, was du gerade tust, all deine Sinne auf dein Tun richtest, in diesem Moment findest du Ruhe und alle Gedanken, die dich hier- und dorthin zerren, existieren nicht. Du versinkst durch dein Tun in den Moment, findest Ruhe im Sein. Genau das stärkt deine Gelassenheit. Dafür musst du nicht irgendetwas Produktives wie der Junge im Sandkasten machen. Ebenso gut kannst du diese achtsame Wahrnehmung beim Geschirrspülen, Spazierengehen, Händewaschen etc. üben.
„Für mich ist innere Ruhe ein emotional stabiler Zustand, indem ich mich ausgeglichen, energievoll und positiv fühle. In dem Zustand innerer Ruhe bin ich selbstsicher, klar, produktiv und leistungsfähig.“
www.anchukoegl.com
Sobald du zu mehr Gelassenheit findest, bist du fokussierter und deine Energie verliert sich nicht in tausend Ablenkungen. Achte einmal die kommenden Tage bewusst darauf, welche Gedanken deine innere Ruhe stören und wie es sich anfühlt, diese Gedanken zu erkennen und ziehen zu lassen, um bewusst wahrzunehmen, was gerade ist.
- Statt im Internet zu surfen oder vor den Fernseher zu setzen, spüre ich achtsam in mich hinein, was es genau ist, was mich so ruhelos macht, welche Gedanken und Gefühle.
- Täglich mehrmals verbinde ich mich über den Atem bewusst mit meinem Körper, spüre in ihn hinein, schließe dabei die Augen und spüre: In mir ist Gelassenheit und Kraft, ich muss mich nur dafür öffnen.
- Merke ich, wie ich ruhelos und gereizt reagiere, halte ich bewusst inne, atme tief ein und aus und mache mir die bewusst, was genau gerade bei mir abläuft (Gedanken, Trigger). Damit bekomme ich sofort Abstand zur Situation und sie „entschärft“ sich.
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