„Kind, sei nicht so neugierig!“ Kennst du den Satz? Dabei ist Neugierde essenziell. Der Puls, der uns lebendig hält, herausfordert und in neue Situationen drängt. Manchmal begegnen wir dann plötzlich ungeahnten Hürden und wir sind am Verzweifeln. Doch am Ende sind es genau diese Situationen, die uns stärken und gelassener machen. Neugierde erweitert den Radius und deine Wahrnehmung.
Raus aus der Trägheit
Hamburg hat ein wirklich hübsches Literaturhaus, im Jugendstil mit beeindruckender Deckenmalerei. Eigentlich bin ich dort gerne und eigentlich besuche ich dort ebenso gerne diverse Lesungen. Doch seitdem wir sozusagen aufs Land gezogen sind, habe ich wenig Lust auf die Fahrerei. Mein Mann fragt mich immer, warum ich nicht mal wieder auf eine Lesung gehe, doch ich tue das mit meiner Gelassenheit ab, nach dem Motto, ich bräuchte das nicht mehr, es reizt mich nicht länger.
Lebenslange Neugierde ist wichtig, um den Herausforderungen des Lebens gelassen begegnen zu können.
Was für ein Selbstbetrug! Gelassenheit hat nichts mit Trägheit zu tun. Wer meint, er würde gelassen über den Dingen stehen, nur um sich nicht bewegen zu müssen, nur um die Konfrontation (auch mit sich selbst) zu scheuen, der verwechselt da etwas.
„Es gehört genetisch zum Menschen dazu, dass er sich immer wieder etwas Neues suchen muss, um seelisch und geistig nicht zu verkümmern.“
Erlebnisforscher Professor Werner Michl (aus einem Interview)
Durch neues Erleben gelassener werden
Von Natur aus bin ich neugierig. Im Kleinen ist das etwas Selbstverständliches. Bei der Auswahl meiner Lektüre zum Beispiel bleibe ich selten bei einem Schriftsteller hängen. Außerdem probiere ich gerne neue Restaurants aus. Und ich entdecke gerne neue Boutiquen. In den Ferien liebe ich es, ferne Länder zu bereisen und wechsle sogar während des Urlaubs gerne ein-, zweimal den Urlaubsort. Doch ebenso bin ich ein Gewohnheitstier: immer die gleiche Joggingstrecke, immer Müsli und Kaffee zum Frühstück und die Besuche klassischer Konzerte reduzieren sich auf die Musik mir bekannter Komponisten. Damit beraube ich mich selbst eines neuen Erlebens.
Das Bekannte gibt uns einen sicheren Rahmen. Das Unbekannte jedoch fordert uns heraus und erst durch diese Art von Herausforderung lernen wir, auch ungewohnte und oftmals herausfordernde Situationen zu meistern. Diese Prozesse sind wichtig, denn sie stärken unsere Gelassenheit, weil wir so erfahren, dass vieles eben gar nicht so schlimm ist, wie es scheinen mag.
Die Belohnung für das neugierige Verlassen unserer Komfortzone: Anfängliche Unsicherheit verwandelt sich in Sicherheit und beschenkt uns mit einem gestärkten Selbstwertgefühl und mit einer selbstverständlicheren Gelassenheit.
Je weiter der Radius, desto gelassener
Etwas Neues zu entdecken ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Seins. Passe ich jedoch nicht auf, kann es vorkommen, dass ich Wochen lang nicht großartig rauskomme. Mein Büro ist mit im Haus und schon verengt sich mein Radius auf Supermarkt, Haus und angrenzendem Wald für die Hundekind-Runden. Je kleiner mein Radius wird, desto mehr schmilzt meine Gelassenheit dahin. Schnell reagiere ich gereizt, werde zunehmend lustloser und Kleinigkeiten werden mir zu viel. Beobachte dich selbst auch einmal: Entdeckst du ebenfalls einen Zusammenhang zwischen deinem täglichen Erlebnisradius und deiner Gelassenheit?
Erlebnisforscher Professor Werner Michl spricht von einer Trägheit der Seele. Das finde ich sehr passend, denn das immer gleiche Blickfeld lullt unseren Geist ein und verengt extrem unsere Wahrnehmung.
Erlebnisforscher Professor Werner Michl
Neugierde beschreibt der Professor als eine entscheidende Kraft des Daseins. Im Grunde ist uns dieser Wesenzug ja auch angeboren, denn ohne Neugierde würden Kinder niemals all das dumme Zeug ausprobieren, worüber wir Erwachsene schimpfen, was für die Entwicklung der kleinen Hüpfer jedoch extrem wichtig ist. Neugierde ist ebenso eine entscheidende Kraft für unser Wohlempfinden. Wird unser natürliches Bedürfnis nach neuem Erleben nicht gestillt, werden wir unzufrieden und reagieren entsprechend genervt. Unsere innere Gelassenheit kommt da schnell ins Wanken.
Der Drang nach neuem Erleben hält den Geist fit, flexibel und aufnahmebereit und verändert immer wieder unsere Wahrnehmung, so dass wir nicht in Einbahnstraßen enden.
Sei neugierig und stärke deine Gelassenheit
Und überhaupt, wie kann eine träge Seele bitte schön glücklich sein? Wir sollten dafür sorgen, dass wir unseren Sinnen neue Eindrücke bieten. Oder anders gesagt: Wir sollten dafür sorgen, dass unsere Bequemlichkeit nicht unsere Neugierde unterdrückt und unserer Gelassenheit schadet.
Ein schönes Beispiel des Erlebnisforschers: Demnächst im Winter vor dem Kachelofen sitzen und Tee trinken bringt nur Spaß, wenn wir vorher in der Kälte waren. Sonst wird es langweilig und wir können es nicht mehr genießen.
Der Wechsel von Aktivität und Passivität ist wichtig, damit wir durch die unterschiedliche Wahrnehmung tatsächlich im gegenwärtigen Erleben bleiben können. Andauernde Passivität und wir dämmern in unserem Leben dahin. Ständig nur action und wir haben kaum Chance, bewusst wahrzunehmen. Der Ausgleich macht`s.
Natürlich haben wir nicht immer die Möglichkeit, täglich etwas Neues zu erleben. Doch es geht auch um Kleinigkeiten. Verabrede dich mal mit einer Kollegin, mit der du gar nicht so eng bist, gehe mit deinem Hund eine andere Strecke, kaufe in einem anderen Supermarkt ein oder gönne dir statt am Abend gleich morgens ein Wannenbad. Sorge für neues Erleben und spüre hinein, wie sich das anfühlt. Kleine Mini-Abenteuer im Alltag. Sie stärken dein Selbstwertgefühl, heben dich aus dem Alltagstrott heraus und lassen dich dein Leben zufriedener betrachten. Sie stärken deine Gelassenheit.
Das Neue im Altbekannten entdecken
Abschließend noch ein paar Tricks, wie ich mein Erleben lebendig halte, wenn ich aufgrund von Arbeit und Familie aus meinem engen Radius nicht rauskomme: Zum Beispiel ziehe ich mich an einem Tag super chic an, auch wenn mich hier nur die Familie und das Hundekind sehen. Das Erleben des Tages fühlt sich sofort anders an. Oder ich koche etwas Ausgefallenes, was bei der Zubereitung meine komplette Aufmerksamkeit verlangt. Meist verliere ich dabei das Zeitgefühl, gehe komplett im Augenblick auf und nehme sogar meine Umgebung anders wahr. Und bei meinen immer gleichen Hundegängen achte ich jetzt beispielsweise auf alle möglichen Blüten, die hier und dort sprießen, nehme mir die Zeit, an ihnen zu riechen und sie genau zu betrachten. In diesen Momenten erfreue ich mich an den Überraschungen, die die Natur für mich bereithält und tatsächlich komme ich mit einem erfüllten Gefühl nachhause.
Und jetzt bist du daran: Welche Veränderungen könnten dein tägliches Erleben beleben, so dass du insgesamt zufriedener und gelassener wirst?
- Ich versuche kleine Erlebnisse in den Alltag zu integrieren, um aus meiner Trägheit aufzuwachen. Aber ich mache mir keinen Druck. Kleinigkeiten bewirken auch viel, zum Beispiel einen neuen Bäcker ausprobieren oder hohe Schuhe statt ewig die bequemen Treter zu tragen.
- Neugierig schaue ich, wozu ich eigentlich mal Lust hätte, was ich mich aber nicht traue, mir nicht zugestehe oder nicht herausnehmen mag. Das kommt auf meine To-do-Liste.
- Ich gönne mir Fantasiereisen: Was entfacht meine Neugierde? Wie fühlen sich die Gedanken daran an (auch körperlich)?
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